Kantate

[559] Beim Kirchgang der regierenden Herzogin von Sachsen-Weimar und Eisenach, nach der Geburt des Erbprinzen, am 9. März 1783


Chöre bewillkommender Kinder.


Blumen streuen wir vor Dir,

Unsre Mutter nennen wir

Dich, des Landes Krone.

Heil Dir, daß Dich Gott erquickt!

Heil Dir, daß Du uns beglückt

Mit dem Freudensohne!


Unter ihm einst werden wir,

Fürstin, auch mit Dank zu Dir,

Unsre Tage leben.[559]

Gute Vorsicht, sei ihm hold!

Deiner Gaben schönstes Gold

Wollest Du ihm geben!


Wachse, Knabe, wachs' heran!

Werd' ein Jüngling, werd' ein Mann,

Deß sich Menschen freuen!

Fürstin, tritt ins Heiligthum!

Dein Gebet sei Gottes Ruhm

Und des Sohns Gedeihen!


Chor der Gemeine.


Gesegnet sei, die da kommt, im Namen des Herrn!

Mutter des Landes, sei uns gesegnet!

Vom Gott der Hilfe, der Dir half,

Vom Gott des Trostes, der Dich reich getröstet,

Sei uns gesegnet!


Empfange sie, Du Chorgesang

Demüth'ger Herzenslieder!

Zu Gott auf steig in hohem Dank

Und bringe Segen nieder!

Er ist's, der sie uns neu geschenkt,

Der neu des Fürsten Stamm gesenkt

Zum holden Friedensbaume,


In dessen Schatten spät einst sich

Die Enkel werden segnen,

Und ewiglich und ewiglich

Sich Huld und Treu begegnen.

Steig auf, der Herzen Chorgesang,

Steig auf, der stillen Freude Dank,

Und bringe Segen nieder!


Stimme eines Greises.


Von Deinen Armen reiche mir,

O Mutter, Deinen Sohn,

Dein Bild und unsers Fürsten Bild

Und unsrer Hoffnung Pfand,

Daß ich ihn anschau' mit der Freude Blick,

Und Alles segne ihn, und Alles für ihn bete!


Chor.


Er ist gesegnet und wird gesegnet sein!


[560] Stimme des Greises.


Gott gebe Dir aus seiner reichen Höh

Der Gaben fürstlichste, der Gaben seltenste,

Hochheiliges Gefühl von ihm

Und innre Ruh, den süßen Gottesfrieden!


Chor.


Gott gebe Dir aus seiner reichen Höh

Hochheiliges Gefühl von ihm

Und innre Ruh, den süßen Gottesfrieden!


Eine andre Stimme.


Dein schönes Auge finde

Nur an Rechtschaffenheit und Menschenwonne Lust!

Und kräftig sei Dein Arm und männlich Deine Brust,

Zu retten sie, zu lieben sie!


Chor.


Und kräftig sei Dein Arm und männlich Deine Brust,

Zu retten sie, zu lieben sie!


Eine andre Stimme.


In schöne Zeiten falle

Dein Loos, wenn Du Dein Volk regieren wirst,

Wenn Du es weiden wirst mit Hirtenhand!

Dann walle Dir entgegen

Aus Deines Vaters Leben

Des Guten Frucht,

Und was er pflanzete, das ernte Du!


Chor.


Es walle Dir entgegen

Aus Deines Vaters Leben

Des Guten Frucht,

Und was er pflanzete, das ernte Du!


Stimme.


Weihe, weihe,

Treues Volk, die Treue

Deinem Fürsten und dem Sohne neu!

Daß im Sohn der gute Vater,

Daß der Sohn im Vater glücklich sei!


[561] Choral der Gemeine.


Mit Dank und Liebe weihen wir

Dem Fürsten Herz und Hand;

Neu blühe seines Hauses Zier,

Neu unser Vaterland,


Für das die Mutter froh ihr Kind

Mit Sorg' und Fleiß erzieht,

Für das auch, väterlich gesinnt,

Des Fürsten Sohn aufblüht!


Was hört mein Ohr? – Was fühlt mein Geist? –

Es rauscht um mich Erwachen der Väter! –

Sie schweben, selige Geister, heran –

Ehrwürdig schön!


Erhabne Gestalten der alten Zeit!

Ihr Sachsen, Katten, Guelfen,

Erhabner noch im Glanz der andern Welt!

Ihr kommt, Ihr kommt, zu segnen den Knaben!

Sie blicken hold ihn an; sie lieben ihn;

Sie segnen ihn:


»Heil Dir, Sohn!

Unsre Lieb' und unser Blut!

Sei glücklich und sei gut!«


Und Du, wer bist Du? kleine glänzende

Gestalt, geführt von einem Engel! – Ach,

Sie ist's! entsprossen

Für jene schöne Welt.

Sie fühlt noch zarte Erdenbande.

Ihm ähnlich, schwebt sie liebreich um den Bruder,

Glückwünschet ihm, zu sein der Eltern Freude

Für ihn und sie,

Und legt ihm ihre Jahre zu,

Blickt sanft zurück – und schwebt hinweg. –

Sie schweben weg.


Chor.


Bleibt, Ihr hohen Gestalten!

Weilt, Ehrwürdige, weilt!

Euer Liebling wird Euch gleichen;

Schwebt um ihn!


[562] Choral.


Gottes Huld wird ihn umschweben;

In diesem und dem andern Leben

Glänzt um ihn seine Lieb' und Zier.

In der Zeiten Wechselstürmen

Wird Gottes Rechte ihn beschirmen,

Sein Blick ihn leiten für und für.

Erhör uns, Mächtiger,

Erhör uns, Gütiger,

Allregierer!

Uns hört der Herr!

Uns höret er!

Wer ist ohn' ihn? wer hilft wie er?

Hallelujah!

Quelle:
Johann Gottfried Herder: Werke. Erster Theil. Gedichte, Berlin 1879, S. 559-563.
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