12. Lied der Freiheit
Griechisch

[136] Die berühmte Skolie aus Athenae(us) l(iber). 15. c(apit). 15. Sie ist mit den beiden folgenden bereits übersezt gewesen in la Nauze Abhandlung von den Liedern der alten Griechen, hinter Hagedorns Poet. Werk. Th. 3. S. 234. 240. Das daselbst S. 252. angeführte sogenannte kriegerische Lied des Hybrias von Kreta halte ich für nichts als ein Spottlied auf die »häuslichen« Krieger oder, wie wirs nennen, die Heldenmässi-gen Philister. Ich übersezte es also ungefähr:


Mein grosser Schaz ist Spieß und Schwert,

Und ein schöner Schild, der den Leib bedeckt:

Damit kann ich pflügen und ernten,

Auch lesen süßen Wein.

Damit bin ich auch Herr im Hause!

Und wer's nicht wagt zu haben Spieß und Schwert,

Und ein'n schönen Schild, der den Leib bedeckt,

Der falle mir stracks zu Füssen,

Und nenne mich Herr Groß-Mogul! –


Unmöglich kann ein Grieche im Ernst also gesungen haben.
[136]

Myrrthenzweige sollen mein Schwert umhüllen,

Wie's Armodius und Aristogiton

Trugen, als sie die Tyrannei erlegten,

Und die Freiheit Athenen wiederschenkten.


Bist, Armodius, Liebster! nicht gestorben.

Auf der Seligen Inseln wohnst du, singen

Dich die Dichter, singen, daß Held Achilles

Und Tydides und Diomed da wohnen.


Myrrthenzweige sollen mein Schwert umhüllen,

Wie's Armodius und Aristogiton

Trugen, als sie, an Athenens Feste,

Den Tyrannen Ipparchus niederwarfen.


Euch, ihr Liebsten, ewiger Ruhm wird bleiben,

Dir, Armodius und Aristogiton,

Daß ihr einst den Tyrannen niederwarfet,

Und die Freiheit dem Vaterlande schenktet.

Quelle:
Johann Gottfried Herder: Stimmen der Völker in Liedern. Stuttgart 1975, S. 136-137.
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