2. Die schöne Rosemunde
Englisch

[10] Aus den Reliqu. of anc. English Poetry Vol. II. p. 141. Es ist bereits in der N. Bibl. der sch. Wiss. Th. 2. St. 1. und, mich dünkt, sonst übersezt gewesen. Eine schöne Bußfertige von Corregio gemahlt, den Todesbecher in der Hand, in andächtiger Gestalt der mittlern Zeiten.


Einst herrscht' ein König, in der Zahl

Heinrich der zweit' er hieß,

Der liebte, nebst der Königin,

Ein Fräulein hold und süß.


Ihrs gleichen war auf Erden nicht

An Liebreiz und Gestalt;[10]

Kein süßer Kind war auf der Welt

In Eines Manns Gewalt.


Ihr Lockenhaar, für feines Gold

Hätts jedermann erkannt;

Ihr Auge stralte Himmelsglanz

Wie Perl' aus Morgenland.


Das Blut in ihren Wangen zart

Trieb solch ein Roth und Weiß,

Als ob da Ros' und Lilie

Stritt um den Wettepreis.


Ja Rose, schöne Rosemund'

Hieß recht das Engelskind,

Der aber Königin Lenor'

War Todesfeind gesinnt.


Darum der König, ihr zum Schuz,

(Der Feindin zu entgehn)

Zu Woodstock baut' ein' solche Burg,

Als nimmer war gesehn.


Gar künstlich war die Burg erbaut

Von vestem Holz und Stein;

Nach hundertfunfzig Thüren erst

Kam man zur Burg hinein.


Und alle Gänge schlangen sich

So durch und durch ins Haus,

Daß sonder eines Leitgarnsbund

Niemand kam ein und aus.


Und ob des Königs Lieb und Gunst

Zu seiner holden Braut

Ward nur dem treusten Rittersmann

Die Wacht der Burg vertraut.
[11]

Doch ach! das Glück, das oft ergrimmt,

Wo es zuvor gelacht,

Beneidet bald des Königs Lust

Und Röschens Liebespracht.


Des Königs undankbarer Sohn,

Den er selbst hoch erhöht,

Empörte sich in Frankreich stolz

Nach Vaters Majestät.


Doch eh noch unser König hold

Sein Engelland verließ,

Da nahm er noch dies Lebewohl

Von seiner Bule süß:


»O Rosemunde, Rose mein,

Du meiner Augen Lust,

Die schönste Blum' in aller Welt

An deines Königs Brust.


Die Blume, die mein Herz erquickt

Mit süssem Wonnestral,

O meine Königsrose, leb',

Leb wohl zu tausendmal!


Denn, meine schönste Rose, nun

Werd' ich dich lang nicht sehn,

Muß übers Meer, muß Aufruhrsstolz

In Frankreich bändigen.


Doch meine Rose – ja gewiß!

Sollt bald mich wiedersehn!

Und mir im Herzen – o, da sollt

Du immer mit mir gehn!«


Als Rosemund', das holde Kind

Kaum Königs Wort gehört,[12]

Da brach mit Macht der Kummer aus,

Der tief ihr Herz verzehrt.


Im Himmel ihrer Augen schwamm

Thrän' über Thrän' hinan,

Bis, wie ein Silber, Perlenthau

Von ihren Wangen rann.


Der Lippen zart Korallenroth

Ermattet' und erblich;

Für Kummer starrt ihr schönes Blut,

Und all ihr Geist entwich.


Sie sank, in Ohnmacht sank sie hin

Zu ihres Königs Knie,

Der oft denn seinen Königsarm

Voll Liebe schlang um sie.


Wohl zwanzig, zwanzigmale küßt

Er sie mit nassem Blick,

Bis endlich noch ihr sanfter Geist

Ins Leben kam zurück:


»Was ist dir Rose, Rose mein,

Was dir so Kummer macht?« –

»Ach, seufzt sie, ach, mein König zeucht

Ja fern in Todesschlacht!


Und da mein Herr in fremdes Land,

Vor wilder Feinde Heer,

Hinzeucht, und Leib und Leben wagt,

Was soll denn ich hier mehr?


Dein Waffenknabe laß mich seyn,

Gib Tartsche mir und Schwert,

Daß meine Brust dem Streiche steh,

Der dich zu tödten fährt.
[13]

Wie oder laß im Königszelt

Mich betten dir zur Nacht,

Und kühlen dich mit Bädern frisch,

Wenn du kommst aus der Schlacht.


So bin ich doch bei dir, und will

Nicht Arbeit scheun, noch Noth!

Ab'r ohne dich – ach, leb' ich nicht,

Da ist mein Leben Tod!«


»Besänft'ge dich, mein Liebchen, sieh,

Du bleibest heim in Ruh,

Im lieblich schönen Engelland;

Kein Feldziehn kommt dir zu!


Nicht blut'ger Krieg, der Friede sanft

Ist für dein sanft Geschlecht;

Auf schöner Burg ein Freudenfest,

Nicht Lager und Gefecht!


Mein Röschen soll hier sicher seyn

In Lust und Saitenspiel,

Indeß ich unter scharfem Speer

Den Feind aufsuchen will.


Mein Röschen glänzt in Perl' und Gold,

Indeß mich Stahl umhüllt;

Mein Liebchen tanzt hier Freudentanz,

Wenn dort mich Schlacht umbrüllt.«


»Und, Edler, den ich auserkannt

Zu meiner Liebe Wacht,

Hab, wenn ich weit entfernet bin,

Hab auf mein Röschen Acht!«


Und nun erseufzte tief der Held,

Als bräch' ihm ganz sein Herz,[14]

Und Rosemund' ach! sprach nicht mehr,

Kein Wort nicht mehr für Schmerz.


Und freilich konnt' ihr Scheiden seyn

Für Beider Herz so schwer,

Denn seit der Zeit sah Rosemund

Nie ihren König mehr.


Kaum daß der Held fern über Meer

In Frankreich Krieg begann,

Kam Königin Lenore schon

Erbost zu Woodstock an.


Schaft schnell den Ritter zu sich her,

Ach unglücksel'ge Stund'!

Er kam von seiner Burg herab,

Und hatt' das Fadenbund.


Und als er hart verwundet war,

Gewann sie das Gebund,

Und kam, wo wie ein Engel schön

Saß Fräulein Rosemund.


Und da sie nun mit starrem Blick

Sah selbst der Schönen Glanz;

Ob aller Reize Treflichkeit

Stand sie versteinert ganz.


»Wirf ab, schrie sie, wirf ab das Kleid

So köstlich und voll Pracht,

Und trink hier diesen Todestrank,

Den ich für dich gebracht.«


Auf ihre Kniee fiel alsbald

Die schöne Rosemund,

Fleht tiefgebeugt ihr alles ab,

Was sie ihr Leids begunt.
[15]

»Erbarm dich, rief das holde Kind,

Doch meiner Jugend zart!

Mit solchem strengen Todesgift

Straf, ach! mich nicht so hart.


Ich will aus dieser Sündenwelt

Wo in ein Kloster fliehn,

Will, wenn du's foderst, fern verbannt

Die weite Welt durchziehn.


Und für die Schuld, die ich verbrach,

Ob nur aus Zwang verbrach,

Straf' ach! mich wie du willt, nur laß

Die Todesstrafe nach.«


Und mit den Worten rang sie oft

Und viel die Lilienhand,

Und längs das schöne Angesicht

Kam Thränenstrom gerannt.


Doch nichts, ach nichts! besänftigte

Die Wuth der Mörderin;

Sie stieß, noch kniend stieß sie ihr

Den Becher Gift dahin.


Zu trinken aus das Todesgift

Nahm sie es in die Hand,

Erhob ihr tiefgebeugtes Knie

Noch zitternd auf, und stand;


Und schlug die Augen himmelwärts,

Und fleht' um Gnade – ach!

Da trank sie aus das strenge Gift,

Das bald das Herz ihr brach.


Und als der Tod nun voller Wuth

Durch ihre Glieder wallt,[16]

Da pries noch ihre Mördrin selbst

Die schöne Todsgestalt.


Und als ihr lezter Hauch entfloh,

Begrub man ihr Gebein

Zu Godstow nah nach Oxfort zu,

Wie's noch zu sehn soll seyn.

Quelle:
Johann Gottfried Herder: Stimmen der Völker in Liedern. Stuttgart 1975, S. 10-17.
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