8. Zaid und Zaida
Spanisch

[26] ist aus der Hist. de las guerras civiles de Granada genommen und hier zur Vergleichung beigerückt worden. Die folgenden Stücke [Nr. 9 bis 11] sind aus eben der Quelle p. 45. b.p. 51. p. 53. alle gewisser Maasse Fortsezung Einer Geschichte. Die Spanischen Romanzen sind die simpelsten, ältesten und überhaupt der Ursprung aller Romanzen.


Durch die Strasse seiner Dame

Wandelt Zaid auf und nieder,

Harrend, daß die Stunde komme,

Endlich komme, sie zu sprechen.


Und schon geht der Mohr verzweifelnd,

Da es sich so lange zögert,

Denket: nur von ihr Ein Anblick

Wird all meine Flammen kühlen. –


Und da sieht er sie! Am Fenster

Tritt hervor sie, wie die Sonne

Aufgeht in dem Ungewitter,

Wie der Mond im Dunkel aufgeht.


Leise tritt ihr Zaid näher:

Alla mit dir, schöne Mohrin!

Ist es wahr, was meine Pagen,

Deine Dienerinnen sagen?


Sagen: Du willt mich verlassen,

Wollest einem schnöden Mohren,

Der von deines Vaters Gütern

Kaum noch ankam, dich vermählen?
[26]

Ist es wahr, o schönste Zaida?

Sage mir es, täusche mich nicht,

Wolle mir es nicht verhelen,

Was so laut ja alle wissen!


Tiefgebeugt erwiedert Zaida:

Ja, mein Guter, es ist Zeit nun,

Daß sich dein' und meine Freundschaft

Trenne, weil es alle wissen.


Um und an bin ich verlohren,

Wenn die Sache weiter fortgeht,

Alla weiß, wie es mich schmerzet,

Wies mich drücket, dich zu lassen.


Du weist wohl, wie ich dich liebte,

Troz des Widerspruchs der Meinen,

Weist, was ich mit meiner Mutter

Für Verdruß und Kummer hatte,


Wenn ich dich zu Nacht erharrte,

Harrte, dich noch spät zu sehen;

Dies auf Einmal mir zu enden,

Wollen sie jezt – mich vermählen.


Bald wird eine andre Dame

Schön und artig dein seyn, Zaid,

Die dich liebet, die du liebest,

Weil du es verdienst, o Zaid.


Tiefgebeugt der Mohr erwiedert,

Hingedrückt von tausend Kummer:

»Nicht versteh' ichs, schöne Zaida,

Wie du mit mir also handelst?


Nicht versteh' ichs, wie du also

Wechselst meine treue Liebe?[27]

Einem häßlich schlechten Mohren,

Der so grossen Guts nicht werth ist.


Warst du's, die auf dieser Stelle

Zu mir sprach, noch jenen Abend?

Dein bin ich, dein bin ich ewig!

Dein, o du mein Leben, Zaid!«

Quelle:
Johann Gottfried Herder: Stimmen der Völker in Liedern. Stuttgart 1975, S. 26-28.
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