15. Weg der Liebe
Englisch

[209] Der erste Theil ist aus Percy's Reliqu. of. anc. Poetry bekannt: der zweite steht weitläuftiger in D'Urfeys Collections of songs and Ballads. Vol. 5. p. 34. Hier sind nur die besten Strophen.


Erster Theil.

Ueber die Berge,

Ueber die Wellen,[209]

Unter den Gräbern,

Unter den Quellen,

Ueber Fluthen und Seen,

In der Abgründe Steg,

Ueber Felsen, über Höhen,

Findt Liebe den Weg!


In Ritzen, in Falten,

Wo der Feurwurm nicht liegt,

In Höhlen, in Spalten,

Wo die Fliege nicht kriecht,

Wo Mücken nicht fliegen

Und schlüpfen hinweg;

Kommt Liebe, sie wird siegen

Und finden den Weg!


Sprecht, Amor sey nimmer

Zu fürchten, das Kind!

Lacht über ihn immer

Als Flüchtling, als blind

Und schließt ihn durch Riegel

Vom Taglicht hinweg;

Durch Schlösser und Siegel

Findt Liebe den Weg.


Wenn Phönix und Adler

Sich unter euch beugt,

Wenn Drache, wenn Tyger

Gefällig sich neigt,

Die Löwin läßt kriegen

Den Raub sich hinweg;

Kommt Liebe, sie wird siegen

Und finden den Weg.
[210]


Zweiter Theil

Den Gordischen Knoten,

Den Liebe sich band,

Kann brechen, kann lösen

Ihn sterbliche Hand?

Was müht ihr, was sinnet

Ihr listigen Zweck?

Durch was ihr beginnet,

Findt Liebe den Weg.


Und wär' Er verriegelt,

Und wär' Er verkannt,

Sein Name versiegelt,

Und nimmer genannt;

Mitleidige Winde,

Ihr schlüpftet zu mir,

Und brächtet mir Zeitung

Und brächtet ihn mir.


Wärst fern über Bergen,

Wärst weit überm Meer:

Ich wandert durch Berge,

Ich schwämme durchs Meer.

Wärst, Liebchen, ein' Schwalbe,

Und schlüpftest am Bach,

Ich Liebchen wär Schwalbe,

Und schlüpfte dir nach.[211]

Quelle:
Johann Gottfried Herder: Stimmen der Völker in Liedern. Stuttgart 1975, S. 209-212.
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