49.

[297] Handelt ungerecht der König,

Will der Cid nicht also handeln;

Er verließ sein Weib in Tränen

Und in Tränen seine Töchter,

Alle von ihm hochgeliebt;

Brach in Länder ein der Mauren,

Überwand sie in Gefechten,

Er erobert' ihre Schlösser,

Legte ihnen Zins und Pflicht auf.

Als er Alcocer erobert,

Schlossen ihn die Mauren ein;

Zahlreich waren ihre Heere,

Keinen Ausfall waget' er.


Da trat zu ihm Alvar Fañez,

Der sich nannte von Minaya;

»Galt es dazu unsre Mühe«,

Sprach er zu den Kriegsgenossen,

»Daß wir unser Land verließen,

Um uns hier den Bart zu kämmen?

Brot, das müßig wir hier zehren,

Krieger, ist kein Ehrenbrot.

Auf! Hinaus unter die Mauren!«

»Alvar Fañez von Minaya«,

Sprach der Cid, »du redest tapfer,

Du sprichst wie ein Ehrenmann.

Nimm die Fahne!«


»Und beim Schöpfer

Schwör ich dir«, antwortet dieser,

»Wo du sie vielleicht nicht selber

Hintrügst, aus Bedenklichkeit,[297]

Trag ich sie.« Der Ausfall glückte;

Alvar Fañez von Minaya

Drang fort in die Maurenländer.

Zwar beklagten sich die Mauren,

Da sie Königes Alfonsos

Schutz genössen, über Unrecht;

Aber welcher Überwundne

Klaget über Unrecht nicht?

Quelle:
Herders Werke in fünf Bänden, Band 1, Weimar 1963, S. 297-298.
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Der Cid
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Der Cid unter Ferdinand dem Großen.
Herders Cid: Neu Durchgesehene Aufl, Volume 22 (German Edition)