64.

[325] Matt von Kriegen, matt von Kämpfen

Lag der Cid auf seinem Lager,

Denkend an die nahe Zukunft,

An Gefahren der Ximene,

Als er neben sich am Bette

Leuchten sahe welchen Glanz!


Einen Mann an seiner Seite

Sah er; heiter war sein Antlitz,

Glänzend, und sein Haar gekräuselt,

Weiß wie Schnee; er saß ehrwürdig

Da, in süßem Himmelsduft.
[325]

»Schlummerst du, mein Freund Rodrigo?«

Sprach er. »Auf, ermuntre dich!«


»Und wer bist du«, sprach der Feldherr,

»Der im Wachen mit mir spricht?«


»Pedro bin ich, der Apostel,

Dessen Haus dir so beliebt ist,

Hergesandt auf deine Sorgen,

Komm ich, zu verkünden dir,

Daß dich Gott nach dreißig Tagen

Rufet in die andre Welt,


Wo dich alle deine Freunde,

Wo die Heilgen dich erwarten.

Um die Freunde, die du lässest,

Um Ximenen sei nicht bange!

Aufgetragen meinem Vetter,

Dem Sant-Jago, ist ihr Sieg.

Mache fertig dich zur Reise

Und bestelle froh dein Haus!«


Dies gehöret, sprang Rodrigo

Munter auf von seinem Lager,

Will dem heiligen Apostel

Dankend froh zu Fuße fallen.

Doch die himmlische Erscheinung

War hinweg; er stand allein.

Quelle:
Herders Werke in fünf Bänden, Band 1, Weimar 1963, S. 325-326.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Der Cid
Der Cid (Hardback)(German) - Common
Der Cid unter Ferdinand dem Großen.
Herders Cid: Neu Durchgesehene Aufl, Volume 22 (German Edition)