15.

[218] Als der König Don Fernando

Von Rodrigo und Ximenen

Beider Wort und Treu empfangen,

Zu vergessen allen Haß


Und deshalb sich vor dem guten

Frommen Bischof Luyn Calvo

Zu vermählen – denn die Liebe,

Sie allein verzeihet ganz –,
[218]

Gab er, um den Cid Ximenen

Gleichzumachen an Vermögen:

Valduerna und Saldaña,

Belforado und San Pedro

De Cardeña gab er ihm.


Herrlich ging am Hochzeittage

Auf die Sonne. Don Rodrigo,

Abgelegt die Waffenrüstung,

Kleidet sich mit seinen Brüdern

Hochzeitlich und fröhlich an.


Echt walloner Pantalone,

Mit Scharlach gezackte Schuhe,

Fein an Leder; zween Stifte

Hefteten sie fest und enge

An den kleinen, netten Fuß.


Jetzo zog er an die Weste,

Eng anliegend, ohne Borten,

Dann die schwarze Atlasjacke,

Wohlgepufft, mit weiten Ärmeln;

(Wenig hatte sie sein Vater

Nur getragen.) Auf den Atlas

Fiel von ausgezacktem Leder,

Breit, anständig, das Collet.


Und ein Netz von goldnen Fäden,

Eingewirkt in grüne Seide,

Schloß sein Haar ein. Auf dem Hute

Von Cortrayer feinem Tuche

Hob sich eine Hahnenfeder

Wunderbarlich hoch und rot.


Schön befranst bis auf die Hüfte

Reichet ihm die Jazerine,[219]

Und um seine Schultern spielet

Ausgeplüscht ein Hermelin.


Und der unverzagte Degen,

Tizonada war sein Name,

Er, das Schrecken aller Mauren,

Hängt in schwarzen Sammetbändern

An dem festen, tapfern Gurt.

Ausgezackt, gefaßt mit Silber

War der Gurt; ein feines Schnupftuch

Wohlgefaltet hing an ihm.


So gekleidet, ging der edle

Cid, begleitet von den Brüdern,

Hin zum weiten Kirchenplatz,

Wo der König und der Bischof

Und die Herrn des Hofes alle

Mit Ximenen ihn erwarten,

Mit Ximenen, seiner Braut.


Sittsam stand sie da, Ximene;

Von elastisch feiner Leinwand

Puffte ihre Flügelhaube;

Von dem feinsten Londner Tuche,

Wohl garniert, war ihre Kleidung,

Die von Schultern zu den Füßen

Barg und zeigte ihren Wuchs.

Auf zwei rosigen Pantoffeln

Stand als Königin sie da.


Ihren Hals umschlang ein Halsband;

An ihm hingen acht Medaillen,

Einer Stadt an Werte gleich;

Und die reichste unter ihnen,

Den San Michael darstellend,

Schwer von Perlen und Juwelen,

Hing Ximenen an der Brust.
[220]

So begaben die Verlobten

Zum Altar sich; vorm Altare,

Eh der Braut die Hand er reichte,

Sah er mit dem Blick der Liebe

Und sprach zu ihr, tiefbeschämt:


»Fräulein, einen Mann von Ehre

Leider hab ich Euch getötet;

Denn es wollt es Ehr und Pflicht.

Diesen Mann geb ich Euch wieder,

Und was Ihr mit ihm verloret,

Vater, Freund, Verwandte, Diener,

Alles geb ich Euch, mit allem

Mich Euch, Euren Ehgemahl.«


Auszog er den kühnen Degen

Vorm Altare, kehrt' zum Himmel

Seine Spitze; »Mich zu strafen«,

Sprach er, »diene dieser da,

Wenn mein Leben lang den Eidschwur

Ich verletze, Euch zu lieben

Und Euch alles zu ersetzen,

Wie ich Euch vor Gott gelobt. –

Und nun auf, mein guter Onkel,

Luyn Calvo, segnet uns!«

Quelle:
Herders Werke in fünf Bänden, Band 1, Weimar 1963, S. 218-221.
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