2.

[197] Angehört den Schimpf des Hauses,

Geht gedankenvoll Rodrigo,

Denkt an seine jungen Jahre,

Denkt an seines Feindes Macht.


In Asturiens Gebürgen

Zählet Gormaz tausend Freunde,

Er, in Königs Rat der erste,

Er, der erste in der Schlacht.


Aber wenn er die dem Vater

Zugefügte Schmach bedenket,

Was bedeutet alles andre?

Recht will er vom Himmel nur.


Bravheit ist er seiner Ehre

Schuldig; schadet der die Jugend?

Für sie stirbt aus echtem Stamme

Selbst das neugeborne Kind.


Eilig langet er den Degen

Sich herab, den einst Mudarra

Führte, jener tapfre Bastard;

(Traurig hing der Degen da,


Als ob er, vor Alter rostend,

Seines Herren Tod betraure).

Eh er noch ihn an sich gürtet,

Redet er den Degen an:


»Dir gesagt sei es, du edler

Degen, daß ein Arm dich fasset

Gleich des Bastards Arm, und fühlest

Du, daß ihm noch Stärke fehlt;
[197]

Rückwärts wird er niemals weichen,

Wenn er dich im Kampfe führet,

Edler, du von gutem Stahle!

Doch von besserm ist sein Herz.


Wert wird dessen, dem du dientest,

Der sein, dem fortan du dienest;

Würd er jemals unwert deiner,

Nun, so dienst du keinem mehr.


Tief in seine Eingeweide

Birgt er dich – – Hinaus ins Freie!«

Rief er, »denn die Stund ist kommen,

Der gerechtsten Rache Zeit.«


Heimlich, daß es niemand wußte,

Ging er aus des Vaters Hause;

Und noch war es keine Stunde,

Traf er seinen stolzen Feind.

Quelle:
Herders Werke in fünf Bänden, Band 1, Weimar 1963, S. 197-198.
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