5.

[201] Heulen und Geschrei und Rufen,

Rossetritt und Menschenstimmen

Mit Geräusch der Waffen tönte

Zu Burgos vor Königs Hof.


Niederstieg aus seiner Kammer

Don Fernando, er, der König;

Alle Großen seines Hofes

Folgten ihm bis an das Tor.


Vor dem Tore stand Ximene,

Aufgelöst das Haar in Trauer;

Und in bittern Tränen schwimmend,

Sank sie zu des Königs Knie.


Gegenseits kam Don Diego

Mit dreihundert edlen Männern,

Unter ihnen Don Rodrigo,

Er, der stolze Kastellaner.

Auf Maultieren ritten alle,

Er allein auf einem Roß.

Bisamhandschuh trugen alle,

Er allein den Reiterhandschuh;

Alle reich in Gold und Seide,

Er allein in Waffenwehr.


Und das Volk, den Zug ersehend,

Und der Hof, als an sie kamen,

Alle riefen: »Schaut den Knaben,

Der den tapfern Gormaz schlug!«
[201]

Rings umher sah Don Rodrigo

Ernst und fest: »Ist euer einer,

Den des Grafen Tod beleidigt,

Freund, Verwandter, wer er ist,


Sei's zu Fuße, sei's zu Rosse,

Stell er sich!« Sie riefen alle:

»Dir mag sich der Teufel stellen,

Er nur, wenn es ihm beliebt!«


Ab von ihren Mäulern stiegen

Die dreihundert edle Knappen,

Ihres Königs Hand zu küssen;

Sitzen blieb auf seinem Roß


Don Rodrigo. »Steige nieder,

Sohn Rodrigo«, sprach der Vater,

»Deines Königs Hand zu küssen!«

»Wenn Ihr es befehlt, o Vater,

Eurethalben tu ichs gern.«

Quelle:
Herders Werke in fünf Bänden, Band 1, Weimar 1963, S. 201-202.
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Der Cid unter Ferdinand dem Großen.
Herders Cid: Neu Durchgesehene Aufl, Volume 22 (German Edition)