Achtes Buch

[282] Wie einem, der von den Wellen des Meers eine Schiffahrt in die Luft tun soll, so ist mir, da ich jetzt nach den Bildungen und Naturkräften der Menschheit auf ihren Geist komme und die veränderlichen Eigenschaften desselben auf unserm weiten Erdrunde aus fremden, mangelhaften und zum Teil unsichern Nachrichten zu erforschen wage. Der Metaphysiker hat es hier leichter. Er setzt einen Begriff der Seele fest und entwickelt aus ihm, was sich entwickeln läßt, wo und in welchen Zuständen es sich auch finde. Dem Philosophen der Geschichte kann keine Abstraktion, sondern Geschichte allein zum Grunde liegen, und er läuft Gefahr, trügliche Resultate zu ziehen, wenn er die zahllosen Fakta nicht wenigstens in einiger Allgemeinheit verbindet. Indessen versuche ich den Weg und kreuze, statt des überfliegenden Schiffes, lieber an den Küsten, d.h., ich halte mich an gewisse oder für gewiß geachtete Fakta, von denen ich meine Mutmaßungen sondre, und überlasse es Glücklichern, sie besser zu ordnen und zu gebrauchen.

Quelle:
Johann Gottfried Herder: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. 2 Bände, Band 1, Berlin und Weimar 1965, S. 282.
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