7.

[362] Ich schließe, und finde nöthig, folgendes hinzu zu setzen. Freilich habe ich diesmal, statt in Kritischen Wäldern, oft in Kritischen nugis herumwandeln müssen: allein warum schreibt Hr. Klotz solche am liebsten? warum hat er fast nichts, als solche, geschrieben? warum spricht er bei ihnen in so vornehmen Tone? warum läßt man sich von diesem Tone so überstimmen, daß man sie als Offenbarungen Apollo's lobet?

Das muh uns freilich Herr Klotz nicht überreden wollen, daß seine Vorweise, und Lobsprüche auf Homer, daß seine Mythologischen Achtsstralen, daß seine schöne Kunstvorschläge aus unsrer Religion, daß seine Schaamvisionen, daß seine Horazischen Einfälle Etwas, auch nur einen Funken Neues enthielten; blos den mittelmäßigst belesenen Leser kann seine Mine so Etwas überreden. Aber daß alle diese sogenannten Alterthumsschriften voll Fehler und Irrthümer, und durchgängig mit dem seichtesten Urtheile abgefasset sind: das will ich nicht den Leser überreden, das mag er selbst beurtheilen.

Wie ich aber an dies Urtheil komme? Nicht anders, als auf einem sehr erlaubten Wege. Ich habe nicht die Ehre, Herrn Klotz von Person zu kennen, oder mit ihm in einiger Verbindung zu stehen; aber seine Schriftchen habe ich gelesen, überdacht, seicht gefunden, und endlich mich gewundert, daß jemand sie anders finden können. Zwar warum mich gewundert? mich selbst hat beim ersten Lesen die Lateinische Sprache, und die leichte und doch so vornehme Mine blenden können; aber beim zweiten Lesen war der Duft verflogen, und eben die Mine, mit der er seine Schrift über das Studium des Alterthums, seine Münzenschmeckereigeschichte u.s. w. schreiben – die gute Deutsche Ehrlichkeit, mit der so viele diese Mine haben ansehen können; freilich! die, und nichts mehr, hat mich zu einem kritischen Spatziergange in seinen Schriften lüstern gemacht, mit dem ich fortzufahren gedenke.

Ich habe eigentlich nicht für, auch nicht gegen Hr. Klotz geschrieben. Ist aber jemand, der meinen Gründen Gegengründe,[363] und meinen Zweifeln Beweise entgegen setzen will: wohl! mein Name ist keine Sünde, ihn wolle man also nicht errathen, oder weißagen; wenn aber meine Schrift Sünde seyn soll, so bin ich der Erste, sie auf den Ersten Wink zu prüfen; zu verdammen oder zu vertheidigen. Nimmt aber Jemand zu dem elenden Mittel seine Zuflucht, die Sache in Personellvermuthungen, in leere Allgemeinsätze, in Nebensachen, oder gar in die Gegend des Lächerlichen, oder der Pöbelschimpfe zu spielen: so erkläre ich mich, daß ich dies als das sicherste Kennzeichen vom Treffenden meines Urtheils ansehen, und ruhig fortfahren werde. Und überhaupt habe ich zu viel Achtung gegen mich selbst, als daß ich mit dem Verfasser des Anti-Burmannus, des Funus Petri Burmanni secundi, der Rede des Milphio ad compotores, und des Schulmeistergedichts auf den Tod Burmanns, einen gelehrten Streit führen wollte; vielleicht wird das Publikum auch Etwas von der Achtung gegen mich haben, mir einen solchen Streit zu erlassen.[364]

Quelle:
Johann Gottfried Herder: Kritische Wälder oder Betrachtungen, die Wissenschaft und Kunst des Schönen betreffend, nach Maßgabe neuerer Schriften. 1769, in: Herders Sämmtliche Werke. Band 3, Berlin 1878, S. 362-365.
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