45.

Der Gefangene

[88] Der uns die Freiheit einst so kühn gelehret

Hört ihr ihn hinter jenem Gitter wohl,

Dran spottend noch des Glaubens rauh Symbol,

Manch eisern Kreuz, das ihm die Flucht verwehret?


Das also ist der Lohn, der ihm bescheret

Ward von dem angebeteten Idol?

Die Wangen blaß, die Augen trüb und hohl,

Die Augen, die er – nicht zum Himmel kehret.


Seit Jahren sah er keine Wolken schweben,

Seit Jahren kein Gestirn in blauer Ferne

Die goldne, taubeglänzte Schwinge heben.


Die Erde – ach! er ließ' sie euch so gerne;

Doch sprecht, ihr Herrn, wer hat euch Macht gegeben,

Die Hand zu legen auf des Himmels Sterne?


Quelle:
Herweghs Werke in drei Teilen. Band 1, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart [1909], S. 88.
Lizenz:
Kategorien: