VI. Die geheime Audienz.


Das Folgende ereignet sich etwa am vierten Tage nach Don Juans Ankunft in Berlin.

Beide Parteien, Don Juan-Faust und Ratz-Koch, haben ihre Zeit nach Kräften benutzt, dem äußern Anschein nach hat die letztere Partei gesiegt, denn sämmtliche Mitglieder der Arbeiter-Deputation, die Faust nach Berlin geführt hatte, sind vor das Policeipräsidium vereinigter königlicher Residenzien citirt worden und haben Befehl erhalten in dreimal vierundzwanzig Stunden Berlin zu verlassen.

Das war das Werk des Herrn Ratz, der die armen Fabriksclaven als Communisten denuncirt hatte.

Faust war traurig, Herr Koch jubelte, Herr Ratz erschien nicht mehr an der table d'hôte in british hôtel, denn Faust, der ihn, wenn auch nicht ganz, so doch zum Theil durchschaute, begegnete ihm sehr kühl und fertigte die Zudringlichkeit des Berliners sehr vornehm ab.[145]

Don Juan hatte mehrere alte Freunde besucht und Incarnation durch die Kunstsammlungen Berlins geführt, aber das junge Mädchen hatte blos an den ausgestopften Papageien und Colibris Gefallen gefunden und im Theater war das einfache Naturkind durch die Tochter des Regiments mächtig aufgeregt worden.

Heute nun saß Faust finster an Don Juan's Frühstückstisch, er klagte nicht, aber man sah ihm an, wie schmerzlich ihn das Fehlschlagen seines Planes berührte, heute war der letzte Tag, morgen mußten die Arbeiter ohne Hoffnung heimkehren in ihre Sclaverei.

Don Juan war ruhig, er vertraute zu fest auf das Fürstenwort seines alten Freundes und war besser mit den Verhältnissen der vornehmen, hohen Welt bekannt, als daß er eine Policeimaaßregel für entscheidend hätte halten können.

Incarnacion summte ganz richtig eine Melodie aus der Tochter des Regiments, denn eine natürliche Anlage zur Melodie ist allen Menschen eigen, braucht gar nicht gebildet zu werden, man muß ihr nur nicht hemmend und störend in den Weg treten. Incarnacion träumte von nichts, als von der Tochter des Regiments, sie dachte nichts als jene Musik und der[146] wackere Maëstro Donizetti hätte gewiß mit hoher Freude den Eindruck bemerkt, den seine Melodieen auf das Gemüth, auf die Sinne der Kreolin gemacht.

Schon seit einer Weile war eine Stockung im Gespräch der drei Frühstückenden eingetreten, als der »doppelte Kopf« eilfertig in's Zimmer sprang und sich seinem Herrn näherte, indem er in einem großen Bogen um Faust, den von ihm so gefürchteten Zauberer, herumging.

Don Juan nahm die Karte, die ihm der Neger reichte; »der junge Fürst S.!« rief er freudig, »freue Dich, Faust, er bringt Dir gute Nachricht!«

»Oder eine vornehme, kühle Entschuldigung!« entgegnete der Doctor trübe.

Der junge Fürst Leopold von S. und W. trat in's Zimmer, Don Juan führte ihn zu einem Sitze und bemerkte mit Vergnügen, daß der junge Mann staunend Incarnacion anblickte.

Don Juan war stolz auf die Schönheit seiner Geliebten.

»Meine Freundin Incarnacion, eine Kreolin, unter dem Aequator geboren!« sprach er lächelnd zu dem Fürsten.[147]

Der junge Fürst, in der glänzenden Uniform der Gardekürassiere, deren Regiment er aggregirt war, küßte die Hand der Kreolin.

»Mein Freund, der Doctor Johann Faust, Ihnen gewiß dem Namen nach bekannt?«

»Vermuthlich nur aus Göthe's Faust;« entgegnete der Doctor, die Verneigung des Fürsten erwiedernd.

»Es ist mir lieb, daß ich Sie treffe, Herr Doctor, denn die Hauptsache des Auftrags, den mir meines Oheims Durchlaucht gegeben hat, ist eigentlich an Sie gerichtet.«

Faust, der jetzt Hoffnung schöpfte, horchte hoch auf.

»Zuvörderst, Excellenz,« wendete sich der Fürst an Don Juan, »läßt Sie der Oheim bitten heute Mittag mit ihm im kleinen Kreise zu speisen, meine Mutter brennt vor Begierde, ihren alten Verehrer zu begrüßen und Tante Mathilde hat sich schon sehr angelegentlich erkundigt, ob Sie verheirathet seien, Excellenz wissen vielleicht aus alten Zeiten, welch einen Abscheu die greise Jungfrau vor allen Menschen hat, die sich das Verbrechen des Heirathens haben zu schulden kommen lassen.«

»Ich habe manchen scherzhaften Streit mit der Prinzessin darüber gehabt;« sagte Don Juan lachend.[148]

»Mein guter, alter Oheim rechnet übrigens darauf, daß Sie Ihre schöne Freundin mitbringen, Excellenz, und Sie, Herr Doctor, erzeigen der Familientafel eines alten Ministers wohl auch die Ehre?«

Faust verbeugte sich.

»Nun zu meinem Auftrag, Excellenz; mein Oheim hat, wie Sie denken können, keine Mühe gespart, der westphälischen Arbeiterdeputation eine Audienz bei Sr. Majestät, dem Könige, zu verschaffen, aber einmal ist Se. Majestät in diesen Tagen nicht hier gewesen, das andremal haben die Leute, die jetzt am Ruder sind, meinem Oheim versichert, Se. Majestät sei gegenwärtig so beschäftigt, daß er in den nächsten Tagen unmöglich seinem Wunsche willfahren könne. Indeß hat mein Oheim mit einem Herren gesprochen, der ihm die alte Freundschaft und das alte Vertrauen treu bewahrt hat. Dieser Herr will die Arbeiterdeputation empfangen, aber unter einigen Bedingungen.«

»Darf man fragen, wer der in Rede stehende hohe Herr ist, Durchlaucht?« forschte Faust.

»Ich muß um Entschuldigung bitten, Herr Doctor,« erwiederte der Fürst, »aber das ist die erste Bedingung, der hohe Herr will unbekannt bleiben, ich kann Ihnen übrigens die Versicherung geben, daß es für[149] Ihren edeln Zweck vielleicht besser ist, diesem Herrn Ihre Deputation vorzustellen, als dem Könige selbst, denn Se. Majestät würde, im günstigsten Fall, dieser Angelegenheit doch nur kurze Zeit widmen können und Niemand wird ihn besser unterrichten als eben diese hohe Person. Zweitens wünscht der Herr die Arbeiter allein zu sprechen, ohne Sie, Herr Doctor, und drittens verlangt er von Ihnen eine Eingabe über den Zustand der westphälischen Arbeiter im Allgemeinen. Mein Oheim hat die Sache nun mit Bewilligung dieser hohen Person so arrangirt: Abends neun Uhr führen Sie Ihre Arbeiter in unser Hôtel, ich werde Ihnen, während der Unterredung, der mein Oheim beiwohnen wird, Gesellschaft leisten und Sie führen dann Ihre Arbeiter zurück. Ich brauche Ihnen wohl nicht erst zu sagen, daß alles Aufsehen vermieden werden muß, daß namentlich Ihre Angelegenheit nicht von den Zeitungen ausgebeutet werden darf, ebenso ist es wünschenswerth, daß die Deputation nach gehabter Audienz so bald als möglich abreis't.«

»Ich vertraue Ihnen ganz, Durchlaucht,« entgegnete Faust, »und werde mich im Interesse der Sache, zu deren Advocaten ich mich aufgeworfen habe, allen Anforderungen und Wünschen jener hohen Person unterwerfen,[150] sagen Sie von meinetwegen dem hohen Herrn, viele tausend arme Sclaven würden ihn segnen auch für das Geringste, was er für sie thue.«

Der junge Fürst stand auf, küßte Incarnacions Hand, bat die Herren nicht zu spät zu erscheinen, da sein Oheim sehnlichst sie erwarte und empfahl sich dann grüßend.

»Ein wackerer junger Herr!« rief Don Juan, als er von der Begleitung zurückkehrte. »Nun, was sagt Ihr, Freund Faust?«

»Du hast das Deinige gethan, Freund, und Deine Durchlaucht ebenfalls, ob's aber Früchte trägt –?«

»Das hofft Jeder, der säet, Freund, säen kann und soll der Mensch, ob die Saat reift, das steht in einer höhern Hand; jetzt geh und bestelle Deine Arbeiter.«

Faust ging, Don Juan aber wendete sich an Incarnacion: »Nun, meine Blume, wie gefiel Dir der junge Fürst?«

»Es war ein Ritter und alle Ritter gefallen Deiner Blume!« entgegnete Incarnacion naiv.

Der Abend dieses Tages war gekommen, der greise Fürst hatte seine Gäste nach dem Diner nicht entlassen, Don Juan und Incarnacion befanden sich im Kreise der Familie des Fürsten, die alte Fürstin namentlich,[151] die Mutter des Fürsten Leopold, beschäftigte sich angelegentlich mit Incarnacion, während Don Juan mit der Prinzeß Mathilde alle Verheirathungen durchging und keine glücklich finden wollte.

Die beiden Fürsten, so wie auch Doctor Faust, hatten sich gegen neun Uhr entfernt.

Zur rechten Zeit kamen die Arbeiter einzeln, oder zu zweien, im Hôtel an und wurden in einen gewärmten und erhellten Saal geführt, in welchem sie der junge Fürst empfing und ihnen Wein und kalte Küche präsentiren ließ; Faust war bereits zur Gesellschaft zurückgekehrt und die guten, westphälischen Spinner fühlten sich sehr verlassen ohne ihn. Faust hatte ihnen gesagt, ein hoher Herr werde mit ihnen reden, sie glaubten der hohe Herr könne Niemand anders sein als der König.

So freundlich nun auch der junge Fürst war, so ernstlich er sie nöthigte zuzulangen, die armen Menschen waren kaum im Stande ein Glas Wein zu trinken, die Erwartung schnürte ihnen die Kehlen zu und der junge Fürst in seiner prächtigen Uniform flößte ihnen gewaltigen Respect ein.

Endlich langte auch der Arbeiter Hornberg, das letzte Mitglied der Deputation, an, aber bis auf die[152] Rampe des Hôtels war ihm Herr Ratz, der Herr Doctor Ratz, gefolgt, der bald ausspionirt hatte, daß Hornberg eine Art von Adjutantendienst bei'm Doctor Faust versah.

Staunend sah Herr Ratz den Arbeiter in das Hôtel des verschrieenen Aristocraten, des Fürsten von S. und W., eintreten, er beschloß zu warten, er mußte wissen, was Hornberg dort zu suchen hatte.

Herr Ratz hatte auch kaum eine Viertelstunde gewartet, als eine einfache, zweispännige Droschke auf der Rampe vorfuhr und ein Herr, in einen Militairmantel gehüllt, in das Hôtel eintrat. Das liebenswürdige Berliner Kind konnte das Gesicht dieses Mannes nicht sehen, aber es beschloß der abfahrenden Droschke zu folgen, sein Plan wurde indeß vereitelt, denn in dem Augenblick, in welchem Ratz auf das Kutschenbret hinten springen wollte, stolperte er und fiel sehr derb auf die Nase, und als er sich wieder erhob, war die Droschke längst die Wilhelmsstraße hinunter. Der würdige, junge Mann hüllte sich fest in seinen neuen Burnus und beschloß die Rückkehr des Arbeiters zu erwarten.

Drinnen im Saal indeß hatte der junge Fürst, als er den Wagen anfahren hörte, die Arbeiter in eine Reihe gestellt und ihnen freundlich zugeredet, frei und[153] offen auf alle Fragen der hohen Person zu antworten. Dann hatte er sich entfernt und sich in das Gesellschaftszimmer zu Don Juan, Faust und den Damen begeben.

Die Arbeiter waren allein, Keiner von ihnen wagte ein Wort zu sprechen, kaum den Andern anzusehen.

Endlich öffnete sich die Thür leise und die Herzen der armen Spinner klopften hörbar.

Mit raschem, festen Schritt trat ein schöner, hoher, ernst, beinah streng aussehender Mann in den Saal, ihm folgte der alte Fürst auf dem Fuße und schloß die Thür hinter sich.

Der zuerst Eingetretene trug einen einfachen, blauen Uniformüberrock, graue Beinkleider mit rothen Streifen und Sporenstiefeln, in der Hand hielt er eine einfache Soldatenmütze mit Schirm und rother Paspel.

Während der alte Fürst dicht an der Thür stehen blieb, ging dieser Mann rasch an die Arbeiter heran und die furchtsamen Blicke der armen Menschen senkten sich vor den funkelnden Blicken der Augen, die sehr tief in einem blassen Gesicht lagen, das ein schöner, blonder Backen- und Schnurrbart zierte.

»Wie heißt Du?« wendete sich der ernste Mann mit sonorer Stimme an den ersten Arbeiter.[154]

»Hornberg!« antwortete dieser leise.

»Nun, Hornberg,« sprach der Frager weiter, »da ich nicht Zeit habe, mich mit Euch allen zu unterhalten, so wirst Du mir auf meine Fragen antworten«.

Hornberg machte eine verlegene, ängstliche Verbeugung.

»Ihr seid Spinner aus westphälischen Fabriken?«

»Ja!«

»Ihr seid sehr arm?«

»Ja!«

»Habt Ihr nie den Wunsch gehabt eben so reich wie Eure Fabrikherrn zu sein?«

»Nein!«

»Wie?«

»Wir sind schon zufrieden, wenn wir satt Essen haben und Kleider für unsere Kinder und Holz, uns im Winter zu erwärmen, guter Herr König!«

»Ich bin nicht der König, lieben Leute; habt Ihr nie den Gedanken gehabt, Euch mit Gewalt zu nehmen, was Euch fehlt, die Reichen zu berauben?«

»Wir hatten den Gedanken nicht, aber man sagte es uns!«

»Wer sagte es?« fragte der ernste Herr, die Stirn runzelnd.[155]

»Ein fremder Bursch, der übern Rhein herkam.«

»So – und das gefiel Euch wohl, Ihr hattet wohl Lust dazu?«

»J nun –« stotterte der Arbeiter.

»Redet aufrichtig, Hornberg!«

»Ja, Herr König –«

»Ich bin nicht der König!«

»Ja, einige hatten Lust, viele aber fürchteten sich vor den Gensd'armen, die meisten indeß hielten es für Sünde und jetzt wissen wir alle, daß es erstlich Unrecht ist, sich selbst Recht zu verschaffen, und dann wissen wir auch, daß es uns nichts helfen würde, sondern uns nur elender machen könnte.«

»Woher wißt Ihr das?«

»Unser Doctor hat es uns gesagt!«

»Da hat er Euch die Wahrheit gesagt, bleibt dabei, denn so lange Ihr recht thut und lieber Unrecht duldet, als unrecht handelt, so lange seid Ihr in Eurem Recht und Recht wird Euch werden – warum aber seid Ihr jetzt nach Berlin gekommen?«

»Weil uns unser Doctor sagte, der König werde unsre Noth lindern, er werde machen, daß wir unsern Arbeitslohn ordentlich bezahlt bekämen, werde dafür[156] sorgen, daß unsere Kinder nicht verhungerten und unsere Weiber nicht erfrieren müßten im Winter.«

»Wo habt Ihr das Geld zur Reise her?«

»Unser Doctor hat es uns gegeben!«

»Was wolltet Ihr dem Könige, unserm Herrn, klagen?«

»Wir wollten zu ihm sagen: seht guter Herr König, Ihr wißt nicht, daß wir viele tausend getreue Unterthanen, die wir nichts haben, als das Leben, daß wir Tag und Nacht arbeiten müssen, um uns und unsere Kinder zu erhalten, daß uns die reichen Herren unsere sauer verdienten Pfennige oft nicht geben, sondern uns Waaren dafür hoch anrechnen, die wir nicht brauchen können, sondern ganz billig verkaufen müssen. Guter Herr König, wollten wir sagen, Ihr seid unser einziger, letzter Trost, Ihr habt die Macht, befehlt, daß die reichen Leute uns unser Geld geben!«

»Wolltet Ihr den König um weiter nichts bitten, lieben Leute?« sprach der ernste Mann, milder als bisher.

»Nein!« erwiederte Hornberg, »unser Doctor sagte, wir sollten nur dem Könige die Wahrheit sagen, er würde dann schon dafür sorgen, daß wir geschützt würden gegen den Zorn unserer Herren.«

»Verlangen Eure Herrn zu viel von Euch?«[157]

»Nein, Jeder kann arbeiten so viel er will, aber mit der Arbeit eines ganzen Tages verdienen wir höchstens sieben Pfennige, und das ist nicht viel, wenn man kleine Kinder hat, namentlich.«

Der ernste Mann schritt einige Male im Saal auf und ab, dann stellte er sich wieder dicht vor die Arbeiter.

»Liebt Ihr den König?«

»Ja, ja! denn er ist unsere letzte Hoffnung, unser König wird uns schützen, er wird's nicht leiden, daß uns die Herren wie das Vieh behandeln, denn unser Doctor sagt, wir seien eben so gut wie die Reichen die Kinder des Königs!«

»Wie das Vieh behandeln? Wie versteht Ihr das?«

»Nun, wenn die Kuh ein Kalb gesäugt hat, nimmt man es ihr und schlachtet's.«

»Ich verstehe Euch nicht!« –

»Ja, wenn wir ein Kind unter Hunger und Kummer groß gezogen haben und es gefällt den Herren, so nehmen sie's und machen's zur – nun Ihr versteht mich!« –

»Und das leidet Ihr? das ist vorgekommen?« rief der Herr empört.

»Mein eigen Weib hatte meine Tochter schon, vor Hunger, an den Buchhalter unseres Herrn verkauft,[158] für einen Thaler, unser Doctor hat es noch gerettet.«

»Wie, für einen Thaler? Einen Thaler für einen Menschen?«

»Das ist noch hoch bezahlt, ich weiß Dirnen, die sich dem Herrn für einige Groschen verkauft haben, um hungernden Aeltern und sterbenden Geschwistern das Leben zu fristen.«

»Ist das wahr, Leute, übertreibt Ihr auch nicht?«

»Wir können's bezeugen!« riefen die Arbeiter.

»Mein eig'nes Weib, dem der Buchhalter lange nachstellte,« sprach ein hübscher, junger Mann, »hat sich dem Menschen, ohne mein Vorwissen, hingegeben, denn er wollte mir keine Arbeit mehr geben und ich wäre mit meinen drei kleinen Würmern verhungert!«

In mächtiger Bewegung schritt der ernste Mann im Saale auf und ab, endlich sagte er:

»Ich habe genug gehört, Ihr armen Leute, Alles, was Ihr mir gesagt habt, werde ich dem Könige, unserm Herrn, wiedersagen, verlaßt Euch darauf, der König liebt alle seine Unterthanen, er wird Euch helfen, bald helfen, ich stehe Euch dafür; reis't still nach Hause, redet nicht viel von Euerm Besuch in Berlin,[159] bald werdet Ihr sehen, daß Ihr nicht umsonst hier gewesen seid.«

»Gott segne Euch dafür, edler Herr, Gott segne den König, unsern Vater!« riefen die Arbeiter.

»Lebt wohl, lieben Leute, Ihr sollt von mir hören!« sprach der ernste Herr gerührt und schritt, von dem alten Fürsten geführt, hinaus.

Nach einigen Minuten trat der junge Fürst mit dem Doctor Faust ein, mit Thränen in den Augen empfingen die Arbeiter ihren Beschützer.

»Wir haben ihm Alles gesagt!« sprach Hornberg, »und er hat versprochen uns zu helfen, er will's dem Könige sagen.«

Indessen hatte Herr Ratz draußen gewaltig gefroren, mehrmals hatte das richtige Berliner Kind den Entschluß gefaßt zu gehen, aber immer hatte ihn löbliche Wißbegierde festgehalten auf seinem Posten. Dennoch wurde seine Ausdauer nicht so belohnt, wie sie verdiente, der Herr im Militairmantel erschien nicht wieder; Ratz besann sich, daß das Hôtel des Fürsten noch einen Ausgang in die Behrenstraße habe und ärgerte sich gewaltig, daß er sich nicht in zwei Hälften spalten konnte, um beide Ausgänge zu bewachen.[160]

Endlich erschienen die Arbeiter, einzeln, gingen die Straße hinab und Ratz vernahm nichts, weil er sich nicht nahe heranwagen durfte, als ein lautes Wort Faust's, der den Spinnern zurief: »Seid morgen zur rechten Zeit auf dem Bahnhofe, Freunde, gute Nacht!«

Die Karosse, in der Don Juan und Incarnacion saß, rollte an dem braven Berliner vorüber und dieser raisonnirte auf seinem Wege zur Madame Grunewald also: »Es ist sehr gut möglich, daß die Arbeiter dort mit irgendwem eine Audienz gehabt haben, aber sie reisen morgen ab, und wenn besagte Person im Militairmantel wirklich der König gewesen wäre, sie ist es aber nicht gewesen, denn der König ist viel stärker, so weiß der verdammte Buchhalter doch nichts davon; ein Viertel auf Acht geht der erste Zug, um acht muß der Buchhalter mir meine hundert Louisd'or zahlen; es lebe der Schwindel!«

Herr Ratz trat in die Kaffeewirthschaft der Grunewald ein, er fand, da es erst zehn Uhr war, die gewöhnlichen Stammgäste, Herrn Thibaut, den Juden Pinner, den Maler, den Architekten, den Cigarrenhändler, den Literaten und den Flottwell; Thibaut und die Madame Grunewald raisonnirten, der Jude und Flottwell machten betrübte, der Maler und der[161] Literat ärgerliche Gesichter, der Architekt lachte, der Cigarrenhändler sagte emphatisch: »Die Sache ist faul, in den Schwindel laß ich mich nicht ein!«

»Und Sie, Herr Ratz,« redete die Wirthin den Eintretenden an, »Sie müssen auch Geld schaffen, ich kann Ihnen nicht helfen, bei Gott ich muß Geld haben, morgen bekomme ich sonst Execution; meine Herren geben Sie Jeder etwas, bezahlen Sie nur Jeder einen Thaler, ich borge dann auch wieder!«

»Ich kann nichts geben, ich stecke so drin, daß ich mir nicht zu helfen weiß!« sprach Ratz und steckte seine Hände in die beiden Seitentaschen seines Burnus.

»Aber Ratz, es ist doch schändlich von Dir,« eiferte der Liebhaber der Madame, Herr Thibaut, »hast Dir eine Menge neue Sachen machen lassen und läßt nun die arme Frau im Stich!«

»So, Meister Thibaut, habt Ihr denn bezahlt?« fragte der unerschütterliche Ratz; »Kluften machen lassen, denkt Ihr denn, ich habe sie bezahlt?«

»Herr Thibaut hat mir bezahlt, wenn auch nicht Alles, so doch nach Kräften!« schrie die Grunewald, ihren Liebhaber vertheidigend.[162]

»Das glaub' ich, nach Kräften!« sprach Ratz mit einer so seltsamen Betonung, daß Alle laut lachten, denn man wußte, was der Berliner meinte.

»Kinder, macht der Sache ein Ende!« schrie der Cigarrenhändler; »Georges, wie viel bist Du der Grunewald schuldig?« fragte er seinen Freund den Literaten.

»Herr Rauschenblatt ist mir vier Thaler fünfzehn Silbergroschen schuldig!« krähte die Grunewald.

»Soll ich für Dich bezahlen, Georges?«

»Ja, laßt uns nur zu etwas Nassem kommen, Grog oder Punsch, ist mir Alles gleich!« erwiederte der Schriftsteller.

»Hier sind fünf Thaler, Madame, fünfzehn Silbergroschen habe ich also gut.«

Knixend empfing die Madame den Fünfthalerschein und erschöpfte sich in Lobpreisungen des Schriftstellers und seines Freundes.

Der Architekt ließ sich jetzt auch herbei zwei Thaler zu geben, auch der Maler gab eine kleine Summe pränumerando, Flottwell leistete auf eine Schuldsumme von hundert vier Thalern eine Abschlagszahlung[163] von zwölf Groschen, erklärte aber, er könne nun vor Ostern nichts mehr bezahlen, danach verstand es sich von selbst, daß er täglich bei der Grunewald auf Credit essen, trinken und rauchen wollte. Nur der Jude und Ratz waren noch zähe, endlich ließ sich auch der Jude zu einer Zahlung bewegen d.h. er versprach morgen zwei Paar Sommerhosen zu verkaufen und der Grunewald das Geld zu geben.

Nun erklärte Ratz, das richtige Berliner Kind, es sei einmal durchaus gegen seine Grundsätze, Schulden zu bezahlen und er halte streng auf Grundsätze, er wolle aber, so schwer es ihm falle, heute der Madame etwas zu verdienen geben und baar berappen d.h. bezahlen.

»Der Kerl hat gestohlen, oder sonst einen großen Schwindel gemacht, Georges!« flüsterte der Cigarrenhändler seinem Freunde, dem Literaten, zu. Herr Ratz aber wendete sich an die Wirthin und fragte:

»Wie viel Flaschen Rum haben Sie noch?«

»Vier Flaschen Rum und zwei Flaschen Madera und eine Flasche Rothwein!«

»Wie viel Zucker?«[164]

»Oh einen halben Hut, Herr Ratz!«

»Sie machen uns Punsch von der ganzen Geschichte, Madame Grunewald und ich bezahle Ihnen baar fünf Thaler, sind Sie das zufrieden?«

»Ja, aber erst muß ich Geld haben!«

»Hier sind fünf Thaler!« rief Ratz und schleuderte fünf harte Thaler in die Schürze der wackern Wirthin.

»Hurrah, Ratz hat Geld! Hurrah, die Grunewald ist aus dem Schwindel!« schrie Flottwell.

»Ist doch ein nobler Kerl der Ratz!« sagte Thibaut zu dem Juden.

Erst als der letzte Tropfen der Bowle getrunken war, verließ die saubere Gesellschaft das Hôtel der Grunewald, um ihre Wohnungen zu suchen, die sie mit dem frühesten Morgen schon verlassen mußten, um gewissen zudringlichen Besuchen aus dem Wege zu gehen.

Am andern Tage war Herr Ratz im Besitz von hundert Louisd'or und Herr Koch schrieb mit äußerst angenehmen Empfindungen an seine Committenten: die Arbeiterdeputation sei abgereis't ohne eine Audienz bei'm Könige gehabt zu haben.[165]

An diesem Morgen machte der Neapolitaner, den wir an der table d'hôte in british Hôtel kennen gelernt haben, dem General von Aurinia seine Aufwartung und saß mit ihm und Incarnacion schon seit einer geraumen Weile in freundlichem Gespräch, als der »doppelte Kopf« eintrat, um irgend ein Geschäft zu verrichten.

Der Neapolitaner, der sich Cavaliero di Bogatire nannte, musterte eine Weile staunend die Figur des Negers, stand dann plötzlich auf und redete den Schwarzen in einer fremden, seltsam aber nicht unangenehm klingenden, Sprache an.

Der »doppelte Kopf« fuhr beim Klange dieser Sprache zurück, als wenn ihn eine Natter gestochen und musterte den Neapolitaner mit entsetzten Blicken.

Der Neapolitaner sprach wieder etwas und sogleich antwortete der Neger fertig in derselben Sprache, begann sich aber wie ungeberdig zu benehmen mit Tanzen, Springen, Schreien und Gesticuliren.

Der arme Sclave hörte ja, seit einem halben Jahrhundert beinahe, zum ersten Male wieder seine Muttersprache.[166]

»Was ist's?« fragte Don Juan erstaunt.

»Oh Massa,« schrie der Neger, »der Senhor spricht die Sprache der Kinder vom blauen Fluß, er spricht die Sprache von armen schwarzen Mannes Mutter!«

»Ihr Neger, Don Juan,« erklärte der Neapolitaner, »ist von demselben Negervolk, das ich seit vierzig Jahren cultivire, er ist ein Unterthan meines schwarzen Königs.«

»Wie war Dein Name unter den Kindern vom blauen Fluß?« fragte er den »doppelten Kopf.«

»Schwarzer Mann hatte zwei Brüder,« rief der alte Neger, »und seine Mutter nannte ihre Piccanini, die Söhne vom Strahle, mich aber hieß sie –«

»Was!« unterbrach der Neapolitaner den Neger beinah erschrocken, »die Söhne vom Strahle? Du bist ein Sohn des Strahls? Wie hieß Dich Deine Mutter?«

»Kurma Guru, den heißen Löwen,« antwortete der »doppelte Kopf« stolz, »und Kurma Guru war ein gewaltiger Streiter!«

Die Augen des Negers funkelten, obgleich eine Thräne darin stand.[167]

»Wissen Sie Don Juan,« wendete sich der Neapolitaner an den General, »daß Sie einen gar vornehmen Diener haben? Die Söhne vom Strahl, so heißt das Herrschergeschlecht meines Landes, Kurma Guru ist der ältere Bruder meiner schwarzen Majestät, er würde jetzt König sein; in der ersten Zeit meines Aufenthaltes unter den Schwarzen hörte ich viel von den gewaltigen Kriegsthaten des heißen Löwen, des jungen Prinzen Kurma Guru; er ist, wenn ich mich recht erinnere, in einem Kampfe mit Timbuktu gefangen und so wahrscheinlich als Sclave nach Amerika verkauft worden, doch wir werden hören.«

»Ich kaufte ihn vor fünfzehn Jahren in Para!« antwortete Don Juan.

»Kurma Guru, Sohn vom Strahl!« redete der Neapolitaner jetzt den Neger mit Gravität an, »kannst Du mir sagen, wie Deine Brüder genannt wurden?«

»O ja, Kurma Guru kann das,« erwiederte der Schwarze, »der Aelteste hieß Prali Cassu Bantupa, der wilde, zornige Büffel, dann kam Kurma Guru, der heiße Löwe und zuletzt der kleine Metumati Corro Pala Antwatassi, der, welcher die Gestalt einer Gazelle hat; das sind die Söhne vom Strahl!«[168]

»Der jüngste Bruder ist jetzt König,« sprach der Neapolitaner italiänisch zu Don Juan. »Kurma Guru, sage mir doch, warst Du nicht ein König unter den Kindern vom blauen Fluß?«

»Nein, Kurma Guru war kein König, aber Kurma Guru's Vater war König über die Kinder vom blauen Fluß und alle Könige der Kinder vom blauen Fluß waren Söhne vom Strahl, wie Kurma Guru und seine Brüder; die Kinder vom blauen Fluß haben niemals andere Könige gehabt, als Söhne vom Strahl.«

»Wie aber ist Kurma Guru, der heiße Löwe, der Sohn vom Strahl der Diener des weißen Mannes geworden?«

»Kurma Guru,« rief der Neger, »war ein großer Krieger und die Kinder vom blauen Fluß kämpften mit den Kindern der wüsten Ebene und Kurma Guru führte die Kinder vom blauen Fluß in den Kampf, aber die Kinder der wüsten Ebene fürchteten sich vor Kurma Guru, sie mochten dem heißen Löwen nicht begegnen in der Schlacht und die Kinder der wüsten Ebene sind sehr listig und sie stahlen Kurma Guru, da er schlief in der Nacht und hatten ihn festgebunden, ehe er erwachte; die Kinder der wüsten Ebene[169] verkauften den heißen Löwen an die weißen Männer, diese führten ihn weit über großes Wasser und der Sohn des Strahl's mußte lange Kaffee pflücken und sehr arbeiten, wurde viel geschlagen und hatte wenig zu essen, so wurde der heiße Löwe ein Diener des weißen Mannes und vergaß die Kinder vom blauen Fluß unter Schlägen, bis ihn guter Massa kaufte und ihn nicht mehr schlagen ließ.«

»Soll ich ihm sagen, Don Juan, daß sein Bruder lebt und König ist?« fragte der Neapolitaner.

»Sagen Sie's ihm, ich bin neugierig auf den Eindruck.«

»Kurma Guru, Sohn vom Strahl, ich wohne schon lange unter den Kindern vom blauen Fluß –«

»Die Kinder vom blauen Fluß haben Kurma Guru vergessen?« fragte der Sclave gespannt.

»Sie haben ihn nicht vergessen, sie singen ein Lied von ihm, wie er zwanzig Feinde tödtete, die über den blauen Fluß geschwommen waren.«

»Sie fingen das Lied vom heißen Löwen, der allein zwanzig Feinde schlug!« sprach der Sclave mit stolzer Freude und das häßliche Negergesicht nahm einen Ausdruck von Hoheit an, der es verschönte.[170]

»Kurma Guru,« sprach der Neapolitaner weiter, »die Kinder vom blauen Fluß haben lange um Dich geweint, es leben noch viele, die den heißen Löwen gekannt haben und von ihm erzählen.«

Der Neger schwieg, aber die Aufregung seines Innern war sichtlich.

»Die Söhne vom Strahl sind noch immer Könige der Kinder vom blauen Fluß.«

»Die Kinder vom blauen Fluß haben niemals andere Könige, als die Söhne vom Strahl,« murmelte der Sclave, dann fragte er laut: »Wie heißt der König, dem die Kinder vom blauen Fluß jetzt gehorchen?«

»Metumati Corro Pala Antwatassi!«

»Wie!« schrie der Neger, »der, welcher die Gestalt einer Gazelle hat, gebietet den Kindern vom blauen Fluß? Warum nicht Prali Cassu Bantupa, der wilde, zornige Büffel? Er war der ältere Sohn vom Strahl.«

»Den wilden, zornigen Büffel hat das Krokodill gefressen, als er sich im blauen Fluß badete.«

»Prali Cassu Bantupa ist vom Krokodill gefressen und Metumati Corro Pala Antwatassi herrscht über[171] die Kinder vom blauen Fluß – warum? weil Kurma Guru nicht da war, Kurma Guru war der zweite Sohn vom Strahl – Kurma Guru ist ein König!«

»Will Kurma Guru,« fragte Don Juan seinen Sclaven, »nicht zurückkehren zu den Kindern vom blauen Fluß und ihr König sein? der Caballero hier geht zu den Kindern am blauen Fluß, Kurma Guru ist frei, er kann gehen, wohin er will!«

Der Sclave schüttelte seinen Kopf, er überlegte eine Weile, dann sagte er: »Kurma Guru ist alt und König sein ist schwer, Kurma Guru hat zu viel Schläge bekommen und ein König darf keine Schläge bekommen haben; Kurma Guru kennt die Kinder vom blauen Fluß nicht mehr und ein König muß seine Kinder kennen; Metumati Corro Pala Antwatassi soll König der Kinder vom blauen Fluß bleiben, Kurma Guru läßt ihn grüßen, er will bei gutem Massa und bei Senhora Incarnacion sterben.«

Don Juan, der alte Legitimist, achtete auch die Legitimität in dem alten Negerfürsten, er reichte ihm seine Hand und sagte: »Wenn Kurma Guru bei mir bleiben will, so ist er mir willkommen, aber er ist mein Diener nicht mehr, sondern mein Gast, Kurma Guru wird sich an meinen Tisch setzen und mit mir[172] und Senhora Incarnacion essen, er wird sich bedienen lassen, denn Kurma ist ein König und ist mein Freund!«

Der Neger fah seinen Herrn erstaunt an.

»Setze Dich hierher Kurma Guru!«

Der Neger setzte sich gehorsam.

»So, nun wird sich Kurma Guru mit dem Caballero über die Kinder vom blauen Fluß unterhalten.«

Der Neger begann jetzt den Caballero über manche Personen zu fragen und gab allemal laut seine Freude zu erkennen, wenn er hörte, Dieser oder Jener lebe noch.

Don Juan erklärte Incarnacion den Zusammenhang der Sache, was sehr nöthig war, da bald die Negersprache, bald neapolitanisch, bald spanisch gesprochen worden war.

Jetzt erschien ein Kellner des Hôtels und meldete dem General, draußen sei ein Mann mit einem Briefe, der ihn zu sprechen wünsche.

Bald darauf trat ein Mann in mittlern Jahren ein, der sehr anständig aber bescheiden gekleidet war, er hielt einen Brief in der Hand und sagte spanisch zu dem General: »Der Herr Graf von Redenberg[173] läßt sich Sr. Excellenz dem Herrn General empfehlen!« mit einer anständigen Verbeugung überreichte er dem Don Juan das Billet. Dieser erbrach es und las:

»Lieber, alter Freund, Du wirst meine Bitte entschuldigen, mit der ich Dich belästige, wenn Du erfährst, daß es sich um einen alten treuen Diener der Legitimität handelt. Ueberbringer dieses, der Franzose Petit, war bis 1830 Laquai bei Ihrer königl. Hoheit der Frau Herzogin von Berry, wurde in den Julitagen verwundet, ging als Kammerdiener des Marschalls Grafen Bourmont mit diesem nach Portugal, erhält von der Frau Herzogin von Berry eine kleine Pension, wünscht aber doch eine Kammerdienerstelle zu versehen. Du hast mehr Verbindungen als ich, alter Freund, Du würdest mir eine Freude machen, wenn Du die treue Seele placiren und empfehlen wolltest, seine Zeugnisse sind vortrefflich. Sehen wir uns vielleicht morgen beim alten Fürsten S.? Mit herzlichem Gruß Dein Anton Graf von Redenberg und Althingen.«

»Sie waren in Diensten der Frau Herzogin von Berry?« fragte Don Juan.

»Ich hatte die Ehre, Excellenz!«

»Sie sprechen spanisch?«[174]

»Ich spreche französisch, italiänisch, spanisch, aber nur wenig deutsch!« antwortete Herr Petit.

»Ich brauche gerade einen Kammerdiener, doch nur für die Zeit meines Aufenthalts in Europa, wenn Sie für diese Zeit bei mir eintreten wollen, so will ich Sie auf die Empfehlung des Herrn Grafen von Redenberg annehmen und Sie auch bei meiner Abreise wieder placiren.«

»Ich würde mich glücklich schätzen in Ihre Dienste zu treten, Excellenz!«

»Wann können Sie antreten?«

»Zu jeder Stunde, heute noch!«

»Das wäre mir sehr angenehm, da ich gegenwärtig ganz ohne eignen Diener bin.«

»Ich bin bereit!«

»Sie werden für mich wenig zu thun haben, hier Donna Incarnacion ist ihre Gebieterin und meinem Freunde hier, Herrn Kurma Guru, werden Sie die Dienste leisten, die er von Ihnen verlangen wird.«

»Sehr wohl Excellenz!« erwiederte der Franzose geschmeidig, obgleich er mit Staunen den alten Neger betrachtete, der noch immer in eifrigem Gespräch mit dem Neapolitaner auf dem Sopha saß.[175]

An diesem Tage verließ ein Prälat den erlauchten Gefangenen von Bourges, der den Befehl hatte Don Juan aufzusuchen, und Doctor Faust übergab eine längst ausgearbeitete Schrift über den Zustand der westphälischen Spinner und Fabrikarbeiter überhaupt dem alten Fürsten von S. und W., der ihm versprach, sie in die Hände der hohen unbekannten Person gelangen zu lassen.


Ende des zweiten Theiles.[176]

Quelle:
Hesekiel, George: Faust und Don Juan. Aus den weitesten Kreisen unserer Gesellschaft, Teil 2, Altenburg 1846, S. 143-177.
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