1.

[201] Wie Feuerregen füllt den Ozean

Der schwarze Gram. Die großen Wogen türmt

Der Südwind auf, der in die Segel stürmt,

Die schwarz und riesig flattern im Orkan.


Ein Vogel fliegt voraus. Sein langes Haar

Sträubt von den Winden um das Haupt ihm groß.

Der Wasser Dunkelheit, die meilenlos,

Umarmt er riesig mit dem Schwingenpaar.


Vorbei an China, wo das gelbe Meer

Die Drachendschunken vor den Städten wiegt,

Wo Feuerwerk die Himmel überfliegt

Und Trommeln schlagen um die Tempel her.


Der Regen jagt, der spärlich niedertropft

Auf seinen Mantel, der im Sturme bläht.

Im Mast, der hinter seinem Rücken steht,

Hört er die Totenuhr, die ruhlos klopft.


Die Larve einer toten Ewigkeit

Hat sein Gesicht mit Leere übereist.

Dürr, wie ein Wald, durch den ein Feuer reist.

Wie trüber Staub umflackert es die Zeit.
[201]

Die Jahre graben sich der Stirne ein,

Die wie ein alter Baum die Borke trägt.

Sein weißes Haar, das Wintersturmwind fegt,

Steht wie ein Feuer um der Schläfen Stein.


Die Schiffer an den Rudern sind verdorrt,

Als Mumien schlafen sie auf ihrer Bank.

Und ihre Hände sind wie Wurzeln lang

Hereingewachsen in den morschen Bord.


Ihr Schifferzopf wand sich wie ein Barett

Um ihren Kopf herum, der schwankt im Wind.

Und auf den Hälsen, die wie Röhren sind,

Hängt jedem noch ein großes Amulett.


Er ruft sie an, sie hören nimmermehr.

Der Herbst hat Moos in ihrem Ohr gepflanzt,

Das grünlich hängt und in dem Winde tanzt

Um ihre welken Backen hin und her.

Quelle:
Georg Heym: Dichtungen und Schriften. Band 1, Hamburg, München 1960 ff., S. 201-202.
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