Zweite Scene.


[388] Gneisenau. Kellermeister. Kellner.


KELLERMEISTER für sich, Gneisenau betrachtend.

Wer es nur sein mag?

GNEISENAU.

Kann man ein Glas Bier

Bekommen, mein Herr Kellermeister?

KELLERMEISTER.

Freilich!

Lauf, Jakob! – Stadtbier, Herr Major? Wir haben

Sonst auch Stettiner.

GNEISENAU.

Ganz nach Ihrer Wahl.

KELLERMEISTER zum Kellner.

Lauf! Einen Krug Colberger! – Das Stettiner

Liegt schon ein bischen lang.


Kellner ab.


Der Herr Major

Sind hier zum ersten Mal?

GNEISENAU.

Zum ersten Mal.

KELLERMEISTER.

Heut mit dem Adler einpassirt?

GNEISENAU.

So ist es.

KELLERMEISTER.

Und denken einige Zeit sich aufzuhalten?

GNEISENAU.

So lang es nöthig ist.

KELLERMEISTER.

Hm! Ohne Zweifel

In höherm Auftrag?

GNEISENAU an den Mitteltisch tretend.

Diese Plätze sind

Besetzt?[389]

KELLERMEISTER.

Stammgäste, Herr Major. Doch möglich,

Daß die Gesellschaft nicht vollzählig wird.

's ist nicht wie sonsten. Jeder Bürger steckt

Voll Sorgen. Sind der Herr Major bereits

Bei unserm Commandanten –?

GNEISENAU auf ein Tischchen im Hintergrunde deutend.

Dieser Platz

Scheint frei zu sein.

KELLERMEISTER.

Hier – mit der gütigen

Erlaubnis – sitzt Herr Joachim Nettelbeck.

Doch Der kommt schwerlich, weil er alle Hände

Voll Stadtgeschäfte hat. Ja, Herr Major,

Wenn Der nicht wäre –


Zum Kellner, der Bier bringt.


Auf den Tisch da!


Der Kellner sieht ihn fragend an.


Weiß schon!

Doch wenn Herr Nettelbeck auch kommt, es wird

Ihm eine Ehre sein. – Ja, was ich sagen wollte:

Der Herr Major sind doch schon einquartiert?

GNEISENAU.

Gewiß.

KELLERMEISTER.

Ich wollte nur –


Während Gneisenau sich setzt.


Der Henker bring'

Aus ihm heraus, was er nicht sagen will!

Doch was Vornehmes muß er sein; man sieht's

An seinem strammen Wesen. Und die Augen!

Die blitzen einen durch und durch.


Zum Kellner.


Was hast du

Maulaffen feil? Man muß die Fremden nicht

Mit Neugier molestiren. Lauf! Ich höre

Die Gäste kommen.


Quelle:
Paul Heyse: Gesammelte Werke. Band 10, Berlin 1872–1910, S. 388-390.
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