[425] Vorige. Schröder eilig von rechts.
SCHRÖDER.
Nettelbeck! –
Euch sucht' ich just.
NETTELBECK.
Was soll's?
SCHRÖDER.
Das Schiff ist da,
Das englische, mit Munition.
NETTELBECK.
Gelandet?
Nun Gott sei –[425]
SCHRÖDER.
Nicht zu früh mit Eurem Loblied!
Es kreuzt ohnmächtig auf der Außenrhede,
Und von den Lootsen keiner will in See.
NETTELBECK.
Die Lotterbuben! Wart', die sollen mir –
SCHRÖDER.
Ja, drohen hilft da nichts. Denn nie wie heut
Sah ich die Brandung um die Riffe toben,
Und, sagen sie, jetzt wär's doch einerlei:
Was soll das Pulver noch, seit Danzig –
NETTELBECK erschrocken einfallend.
Danzig?
SCHRÖDER.
Capitulirt, ja, ja! 's ist aus.
NETTELBECK.
Wer sagt das?
SCHRÖDER.
Der Schiffer Albrecht, der von Danzig eben
Zurück ist. Seinen Kutter ließ er draußen
Und kam im Boot herein, der Unglücksrabe.
NETTELBECK.
Das kannst du doch nicht wollen, Herr mein Gott!
Steht in tiefer Erschütterung.
SCHRÖDER.
Fragt selber nach. Ich muß nach Haus, mein bischen
Werthsachen einzupacken; denn nun heißt's:
Es rette sich, wer kann!
Eilig ab nach links.
ROSE.
Pathe, was nun?
NETTELBECK aus seinem Brüten aufstarrend.
Ich muß nur gleich den Gneisenau – doch nein,
Am Hafen brauchen sie mich nöth'ger. Nachbar,
Sagt Ihr dem Commandanten – was? schon fort?
Ein saubrer Bürgervorstand! Höre, Kind,
Ich muß zum Hafen. Wenn die Jungens dort[426]
Mich sehn, so soll'n sie schon Courage kriegen.
Du aber bring die Hiobspost geschwind
Zum Gouverneur und sag ihm –
ROSE.
Pathe, ich?
NETTELBECK.
Wer sonst? Der Posten dort darf nicht vom Fleck.
Sput dich und sag, ich sei hinaus und würd' ihm
Das Schiff zu bergen suchen, wenn die See
Auch höher ging' als der Marienthurm.
O Danzig, Danzig!
Eilt nach rechts ab.
ROSE.
Rettet nur das Schiff!
Die Stadt kann einzig noch ein Wunder retten.
Sie geht rasch die Stufen hinauf. Während dessen erklingt aus der Kirche ein kurzer Choralgesang mit Begleitung der Orgel.
Ausgewählte Ausgaben von
Colberg
|
Buchempfehlung
Strindbergs autobiografischer Roman beschreibt seine schwersten Jahre von 1894 bis 1896, die »Infernokrise«. Von seiner zweiten Frau, Frida Uhl, getrennt leidet der Autor in Paris unter Angstzuständen, Verfolgungswahn und hegt Selbstmordabsichten. Er unternimmt alchimistische Versuche und verfällt den mystischen Betrachtungen Emanuel Swedenborgs. Visionen und Hysterien wechseln sich ab und verwischen die Grenze zwischen Genie und Wahnsinn.
146 Seiten, 9.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.
424 Seiten, 19.80 Euro