Letzte Scene.


[475] Vorige. Von links stürzt. Heinrich herein, mit einer schweren Kopfwunde, hinter ihm Nettelbeck, Brünnow, Würges, die übrigen Bürger und ein preußischer Offizier.


HEINRICH.

Hoch Colberg! Rettung, Freiheit, Waffenruhe!

Hoch Deutschland!


Bricht ohnmächtig zusammen.


ROSE zu ihm eilend.

Heinrich! – Er verblutet!


Verbindet ihm mit ihrem Tuch die Kopfwunde, die Mutter und einige Bürger helfen ihr, den Bewußtlosen aus den Sessel zu tragen.


GNEISENAU.

Freund Nettelbeck –

NETTELBECK vortretend.

Ja, mein Herr Commandant,[475]

Noch lebt der alte Gott. Er hat in Gnaden

Den Willen angenommen für die That:

Colberg ist frei! Ein Waffenstillstand ward

Von unserm Herrn und König und dem Czaren

Mit Kaiser Bonaparte abgeschlossen.

Schon vor drei Tagen wußten sie's im Lager

Des Feinds. Doch Monsieur Loison, der geschworen,

Er wolle Colberg erst den Nacken brechen,

In Wuth und Aerger, daß mit Gut und Bösem

Er nicht zum Ziel kam, unterschlug die Nachricht,

Befahl, den Offizier, der die Depeschen

Des Königs brächte, tückisch aufzufangen

Und seines Protestirens unerachtet

Zurückzuhalten, bis die Stadt erstürmt.

Da führt der Himmel dort den Heinrich Blank –


Sich nach ihm umwendend.


Seid ruhig, Kinder; solch ein Aderlaß

Kann seinem hitz'gen Blut nur heilsam sein –

Der Himmel, sag' ich, führt den Jungen hin

Mit einem Schill'schen Freicorps, nah genug,

Daß er die preußische Uniform, umringt

Von den französischen Freibeuters, sieht:

Und auf die Bande losgesprengt, den Hauptmann

Wie rasend attakirt, mit Brünnow's und

Der Andern Hülfe unsern Landsmann hier

Herausgehauen, daß die Funken flogen,

War fast so flink geschehn, als ich's erzähle.

Da merkte denn der Feind, daß seine List

Zu Schanden ward, und steckte zähneknirschend

Die weißen Fahnen aus. Ihr aber, Kinder,

Lauft nach dem Hafen! Sagt, das Weibervolk

Soll nur in Gottesnamen wieder landen;

Denn Colberg. Dank dem Himmel und dem Herrn

Von Gneisenau, steht noch ein Weilchen fest

Und hat sich seinen Ruhetag verdient.[476]

GNEISENAU der indeß die Depesche überflogen hat.

Und seines Königs Dank und einen Platz

Im Ehrenangedenken unseres Volks. –

Herr Gott, dich loben wir! Laß dieses Saatkorn

Der Freiheit Wurzel treiben, daß es bald

Das ganze deutsche Vaterland umschatte,

Und keines fremden Unterdrückers Fuß

Den heiligen geliebten Boden trete!

Doch dieses Höchste kann nur Eins uns schaffen:

Ein treuverbrüdert Volk, ein Volk in Waffen!


Alle haben die Häupter entblößt, Gneisenau reicht Nettelbeck die Hand.

Der Vorhang fällt.


Quelle:
Paul Heyse: Gesammelte Werke. Band 10, Berlin 1872–1910, S. 475-477.
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