Erste Scene.


[296] Salvatore, der Wirth, ein junger Mann mit drollig lebhaften Geberden, führt Gianotto durch die Gitterthür herein, Don Juan folgt.


WIRTH. Nein, Ihr müßt mir die Ehr' anthun, Herr Gianotto – Herr Doktor, wollt' ich sagen. Heilige Madonna, welche Ueberraschung! – Biondetta! – In drei Wochen erst hat Mutter Martina Euch erwartet, und noch gestern sagte sie – Salvatore, sagte sie – He, Biondetta, Biondina, Bionduccia! Wo zum Henker steckt die Hexe?

GIANOTTO. Habt Ihr schon Hochzeit gehalten, Freund Salvatore?

WIRTH. Hätte schon sein sollen, Herr Gianottino, gerade heut am Madonnenfest, aber da fiel's dem Prinzen in Neapel ein, just auch auf denselbigen Tag – Zu einem Knaben, der gelaufen kommt. Lauf, Carlino! Sag der Biondetta, sie soll Alles stehn und liegen lassen, hörst du? und herkommen, hörst du? – aber[296] kein Wort, wer hier ist, Spitzbube! Zu den Andern. Meiner Schwester Sohn, ihr Herren, flink wie eine Ratte und gefräßig wie zehn. – Aber um wieder auf die Hochzeit zu kommen: ja ja, große Herren haben den Vortritt, aber mit Geduld kommt auch der Lahme über den Berg – und weil auch die gräflichen Herrschaften mir die Ehr' und Gnade erweisen wollten – Biondetta kommt hastig aus dem Garten. Nun, du Schnecke, sieht man dich endlich? Da komm her, Täubchen, da schau einmal –

BIONDETTA. O Himmel, Herr Gianotto!


Läuft zu ihm hin, reicht ihm beide Hände.


WIRTH zu Don Juan. Meine Verlobte, Herr, und der Frau Gräfin Kammerjungfer bisher. Aber weil heut Festtag ist, hilft sie mir hier unten in der Wirtschaft. – Nun, Mäuschen, ist er's oder ist er's nicht? Haha! Thust ja ganz verschämt, mein Wieselchen. Freilich, der große Bart – hahaha!

BIONDETTA. O Herr Gianotto, solch eine Freude! – Und noch gewachsen seid Ihr – und noch schöner geworden, und so ernsthaft und respektabel –

GIANOTTO. Liebe gute Biondetta, wie geht es dir? Auch ich freue mich mehr, als ich sagen kann –

WIRTH. Mit trocknem Munde, Doctorchen? Freude muß man begießen, daß sie in Flor kommt, haha! Flink, Biondina, Wein für die Herren!

BIONDETTA. Von welchem befehlt Ihr, lieber Herr Gianotto?

GIANOTTO verwirrt. Ich möchte in der That erst – meine Mutter würde sich wundern –

BIONDETTA. Mutter Martina? Die trefft Ihr jetzt doch nicht zu Hause.[297]

GIANOTTO. Ist sie mit den Herrschaften?

BIONDETTA. O nicht doch! Sie ist bei der Contessina zurückgeblieben.

GIANOTTO freudig überrascht. Hier? Ghita – die Contessina nicht in Neapel?

BIONDETTA. Sie wollte nicht – konnte nicht – ein bischen Kopf- oder Lächelnd. Herzweh –

WIRTH. Da könnt Ihr gleich zeigen, was Ihr gelernt habt, Ihr Hexenmeister von einem Heilkünstler, haha! könnt der Madonna droben ihre Kunden abspenstig machen und noch viel größere Mirakel verrichten, absonderlich an den Weiberchen, hehehe!

GIANOTTO. So will ich augenblicklich –

WIRTH. Behüte, junger Herr! Ihr trefft sie nicht. Sie ist nach dem Kloster hinauf mit der Prozession, Bewegung Don Juan's. muß jeden Augenblick wieder zurückkommen. Inzwischen – weißen Capri, Ew. Gnaden? schwarzen Nostrale? Chianti? Süß oder herb?

DON JUAN. Ich kostete vorhin, als ich hier abstieg, von Eurem Lacrymä Christi. Es muß ein angenehmes Geschäft sein, die Welt zu erlösen, wenn man so süße Thränen darum weint.

WIRTH. Ihr seid ein Kenner, Eccellenza. Ein vorzüglicher Tropfen, unverfälscht wie die Seele eines Kindes im Mutterleib. Eil dich, Biondettinuccia. Eine Flasche vom ganz alten. Biondetta ab. Dorthin, wenn es den Herren beliebt! Führt sie zu der Steinbank. Nein, dieser Wunderdoktor! Die Ueberraschung! – Man[298] hört Lärm im Garten. Die Herren entschuldigen – das Bauernvolk ist gleich toll und voll – muß nur geschwind nach dem Rechten sehen.


Läuft eilig in den Wirthsgarten.


Quelle:
Paul Heyse: Gesammelte Werke. Band 11, Berlin 1872–1910, S. 296-299.
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