Achte Scene.


[313] Don Juan allein, dann Biondetta.


DON JUAN. Bei Gottes Blut! Eine Abfertigung in aller Form! Wie[313] sie das stolze Näschen rümpfte und so kühl die junge Lippe schürzte! Sie haben sich verständigt hinter meinem Rücken, wenigstens glaubt er's, der allzu Gläubige. Sobald er ihr zu entschlüpfen drohte – flugs das Netz nach ihm ausgeworfen – nun zapple, Fischlein! Und er, wie gut es ihm stand, als er unhöflich wurde, besser als sein Winseln vorher. Wüßt' ich nur, was ich an ihm finde! Ein andrer dreister Knabe, der mir seine höhnische Absage ins Gesicht geschleudert hätte – mit flacher Klinge hätt' ich ihm – Ha, meine schöne Wirthin!


Biondetta, aus dem Hause, mit einer dreiarmigen Messinglampe, die sie auf den Tisch stellt.


BIONDETTA. Gute Nacht, Herr!

DON JUAN. Wünschest du mir eine gute Nacht und beraubst mich ihrer, indem du von mir gehst?

BIONDETTA. Ich muß wohl. Was würde man sagen, wenn ich hier in Salvatore's Hause, ehe wir getraut sind –

DON JUAN stampft mit dem Fuß. Salvatore! Wer redet von Dem! Legt den Arm um ihre Hüfte. Ihr wäret dazu geschaffen, den stolzesten Mann um seine fünf Sinne zu bringen, und werft Euch weg an diesen groben Gesellen? Saht Ihr je ein Schwanenweibchen, das sich mit einem Entrich paarte?

BIONDETTA. Geht, geht! Ihr meint es nicht, wie Ihr sagt.

DON JUAN setzt sich auf die Bank. Bin ich der Erste, der dir's sagt? Hat der Graf keine Augen im Kopf? Und dieser Fant, der Gianotto –

BIONDETTA. Der? Der hat nur Augen für –[314]

DON JUAN. Ich weiß, wen du meinst. Nur ein Narr kann jenes kalte Steinbild anbeten, wo so süßes, glühendes Leben ihn anlacht. – Was du für kleine Hände hast, Biondetta!

BIONDETTA. Ihr kennt Gräfin Ghita nicht. Sie ist viel mehr werth als ich; sie ist klug wie der Tag und sanft wie die Nacht, und hat viel kleinere Hände als ich.

DON JUAN. Verzeih! Ich muß diese Hände küssen.

BIONDETTA. Ihr laßt Euch zu sehr herab.

DON JUAN zieht sie neben sich auf die Bank. Schönheit ist immer Königin und macht Hoch und Niedrig zu Vasallen. Was du für feine Schläfen hast, Biondetta. Ich muß diese Schläfen küssen. Er thut's.

BIONDETTA ängstlich auffahrend. Um Gott, Herr, wenn Salvatore Euch sähe! Er versteht keinen Spaß.

DON JUAN. Auch küsse ich immer im Ernst. Sag, Allerlieblichste, wie lange bist du bei der Gräfin?

BIONDETTA. Vier Jahr. Ich war sechzehn, da meine Mutter mich zu ihr brachte.

DON JUAN ergreift wieder ihre Hand. Die Hälfte der Zeit hätte genügt, um mit diesen Schelmenaugen die verborgensten Geheimnisse des Hauses zu erspähen Sich zu ihr neigend. Gesteh nur: wenn wirklich die alte Martina Gianotto's Mutter ist – so ist der Graf sein Vater.[315]

BIONDETTA. Der Graf? Nein, nein! Behüte! Wo denkt Ihr hin!

DON JUAN. Diese goldne Kette, wenn du mir Alles sagst, was du weißt! Zieht sie wieder auf die Bank.

BIONDETTA sich sträubend. O heilige Madonna, nein, nein!

DON JUAN. Hast du ein Gelübde gethan, einen Eid geschworen?

BIONDETTA. Nichts, o Nichts, Herr, bei meiner Mädchenehre! Was ich weiß – meine eignen Ohren haben mir's verrathen – und doch – die Kette nehm' ich nicht!

DON JUAN steckt sie ihr in den Busen. Der Graf ist nicht sein Vater?

BIONDETTA. Ihr seid ein Zauberer, ein Verführer! Nein, der Vater ist todt. Aber auch die Alte – woher wißt Ihr's nur? – ich hört' es von ihr, da sie einmal aus dem Fieber schwatzte – die Gräfin hatte eine Schwester, noch viel schöner als sie selbst, die liebte einen Cavalier, den wollte der Vater ihr nicht geben, weil er arge Dinge trieb und verrufen war in ganz Sevilla.

DON JUAN aufspringend. Sevilla! Spanierinnen?

BIONDETTA nickt. Und die junge Gräfin ging in ein Kloster, aber ihr Geliebter war so gottlos, daß er Schloß und Riegel an ihrer Zelle sprengte, und wie ihr eigner Vater sie ihm wieder abringen wollte – was habt Ihr, Herr? Ihr werdet todtenblaß –[316]

DON JUAN. Nichts! Nichts! Weiter! Weiter!

BIONDETTA. Da erschlug ihn der Entführer, und es heißt, der Gottseibeiuns hab' ihn geholt. Die Gräfin aber brachte einen Knaben zur Welt und starb, und diesen Knaben, da seine Tante, unsere Gräfin, heirathete, gab sie für das Kind ihrer alten Dienerin aus, und wie sie hieher übersiedelten, wo Niemand wußte, daß die Martina nie einen Mann gehabt –

DON JUAN faßt ihre beiden Hände, schüttelt sie heftig. Den Namen! Den Namen!

BIONDETTA. Ich las ihn einmal in einem Gebetbuch, das die Contessina von ihrer seligen Tante, der armen Nonne, geerbt: Doña Anna de Silva hieß die arme Schönheit, und das Kind nannte sie nach dem Vater Juanito. Hier in Resina haben sie Gianotto daraus gemacht. Aber bei allen Heiligen gnädiger Herr –

DON JUAN hat ihre Hände gewaltsam fahren lassen, steht in tiefer Erschütterung. Still! Nichts mehr! Es ist gut!

SALVATORE'S STIMME aus dem Garten. Biondetta! Bist du noch hier? Biondetta!

BIONDETTA. O Herr! O was hab' ich gethan! Macht mich nicht unglücklich, Herr! Versprecht mir –

SALVATORE'S STIMME. Biondetta!

BIONDETTA. Hier bin ich, Salvatore! – O Ihr seid ein Verführer! Wer kann Euch widerstehen! Aber bei Gottes Barmherzigkeit – Hebt die Hände bittend auf.[317]

DON JUAN abgewandt vor sich hin blickend und völlig regungslos. Geh! Fürchte Nichts! Du bist ein gutes Mädchen. Wir sprechen mehr davon! Biondetta ab. Anna de Silva! Juanito! Mein Sohn! Ich hab' einen Sohn, diesen Sohn? – – Sich plötzlich aufrichtend. Nun denn, wenn er mein ist, will ich allein ihn auch besitzen, und kein Engel oder Teufel soll ihn mir streitig machen!


Vorhang fällt.


Quelle:
Paul Heyse: Gesammelte Werke. Band 11, Berlin 1872–1910, S. 313-318.
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