Fünfte Scene.


[332] Vorige. Gianotto schwingt sich über die Brustwehr des Balkons und springt ins Zimmer hinein. Don Juan ist einen Schritt nach links zurückgetreten.


GIANOTTO die Augen starr auf Don Juan gerichtet. Kein Blendwerk der Hölle? Ein Mann in diesem Zimmer – dieser Mann, an dieser Stätte, die mir versagt blieb –[332]

GHITA sich gewaltsam aufrichtend. Gianotto – wenn du mich je geliebt hast – eh du ein Wort sagst, höre – o höre mich an!

GIANOTTO ohne sie anzublicken, mit eisiger Kälte. Diese Rosen, Señor, können nur durch Diebstahl oder Verrath in Eure Hände gekommen sein. Ich fordre eine Erklärung hierüber, Señor; – und falls Ihr nicht geneigt seid, sie zu geben, möchte ich Euch vertraulich unter zwei Klingen mittheilen, wie ich über Euch denke. – Ha – Ihr schweigt!

GHITA sich ihm nähernd, mit mühsamer Fassung. Gianotto – ist es möglich? So kann dieser Höllenspuk dich blenden, daß Alles, was du von deiner Ghita weißt, in den Staubt sinkt vor dieser gräßlichen stummen Lüge? An dem Tag – in der Stunde, wo ich dir mein Leben, meine Seele gelobt – oh meine Sinne verwirren sich! Gianotto, bei unsrer sonnigen Jugend, bei aller ewigen Seligkeit unsrer Liebe –

GIANOTTO immer abgekehrt. Dieser Blick – diese Stimme – sie zerreißen mir das Herz. Und doch – hast du es nicht selbst gesagt: dieser Mann – »ein Dämon ist er, der Macht hat über arglose Seelen« –? Starrt Don Juan an. Ja, er hat sie geübt!

GHITA. Ueber deine Seele, Gianotto, über meine nicht. Frag ihn – frag ihn selbst, was ihn zu mir geführt hat. Antwortet – Ihr da – ob Ihr nun ein Mensch oder ein Teufel seid: habt Ihr mir nicht gesagt, Ihr kämt nur um seinetwillen? Diese Rosen – empfingt Ihr sie aus meiner Hand? –Antwortet! O mein Gott, öffne ihm die ehernen Lippen, heiß' ihn Wahrheit reden – und Alles, Alles sei ihm verziehen!

GIANOTTO. Er schweigt. Hört Ihr's, Contessina? Er schweigt. Warum sollte er auch reden? Welcher ritterliche Mann würde ein Weib[333] beschämen vor Dem, der sie geliebt, der an sie geglaubt hat wie an das Licht seiner Augen? Ich erlass' Euch Euer Zeugniß, Herr. Wir haben hier zu lange gezaudert. Kommt! Ein Gang drunten im Garten wird uns das Blut kühlen. Wendet sich nach der Thür in der Mitte.

GHITA das Haupt aufrichtend, sehr feierlich. O Gianotto, ahnst du auch, was du thust? daß du eine Welt vernichten willst, die nur für dich geschaffen war, eine Sonne auslöschen, die nie wieder aufgehen wird? Sieh mich an, Gianotto, – und sieh Diesen an. Und wenn du dann noch zweifeln kannst, wo Wahrheit ist und wo Trug und Tücke – so geh hin und morde unser Glück – Ghita ist dir verloren für ewig!

GIANOTTO in furchtbarer Qual. O Ghita, Ghita, – Stern meines Lebens – Nein, nein! Vergieb! Ich Unsinniger, Unseliger! Du hast Recht – es ist unmöglich – es ist nur, weil ich selbst es nicht fassen kann, warum du gerade mich, der ich Nichts bin und habe, erkoren hast, ihn zum Herrn der Welt zu machen durch deine Liebe. Das – das war's, worüber ich schlaflos drunten im Garten grübelte und sann, und da – da plötzlich dies Gesicht – es verwirrte mir das Hirn – vergieb, du Himmlische, du Heilige! Stürzt vor ihr nieder, ergreift ihre Hand, küßt sie stürmisch. Morgen – morgen bestimmst du mir selbst meine Buße. Jetzt – Mit plötzlich verändertem Ausdruck. ist Nichts nöthiger, als die Luft hier zu reinigen. – Zu Don Juan. Ihr werdet die Güte haben, mein Herr, mir auf der Stelle zu folgen und die Erklärungen, die ich zu fordern berechtigt bin – Er ist auf die Thür zugegangen, will sie öffnen, rüttelt vergebens am Schloß. Ha – verschlossen!


Pause.


GHITA nach Athem ringend. Gianotto – höre mich – nicht ich – Martina –[334]

GIANOTTO sich umwendend, mit furchtbarer Kälte. Martina, sagt Ihr, habe Euch hier so wohl verwahrt? Ich dank' Euch für diese sinnreiche Erfindung. Aber bemüht Euch nicht weiter, Contessina. Für heute bedarf es keiner Aufklärung mehr. Ich bitte nur um Verzeihung, daß ich diese trauliche Stunde gestört habe. Ich weiß, was man dem Glücklicheren schuldig ist. Auf morgen, Don Cesar!


Geht todtenblaß zwischen Don Juan und Ghita hindurch und verschwindet über den Balkon. Ghita sinkt mit einem erstickten Schrei zu Boden.


DON JUAN Gianotto nachblickend. Thor, der ich war! Ich hab' ihn heilen wollen – das Mittel, fürcht' ich, war zu stark.


Es klopft an der verborgenen Thür.


BIONDETTA'S STIMME. Gnädiger Herr – um d Himmels willen –

DON JUAN öffnet. Biondetta stürzt herein. Die Contessina ist ohnmächtig geworden. Sorge für deine Herrin! Indem er hinausgeht und Biondetta zu Ghita hineilt, fällt der Vorhang.

Quelle:
Paul Heyse: Gesammelte Werke. Band 11, Berlin 1872–1910, S. 332-335.
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