Geisterbannung

[254] Der Tag ist trüb, die Welt ist grau,

Wie Bodensaß in schalem Wein,

Und hätt' ich nicht die liebe Frau,

Wohl schlich' ein böser Geist sich ein.


Der Märzwind im Kamine raunt,

Strichregen an die Scheiben sprüht,

Nur Sie ist immer holdgelaunt

Und um mein Seelenheil bemüht.


Vom nächsten Sommer spricht sie mir,

Wo unsre Kinder bei uns sind.

Mir klingt die liebe Stimme schier,

Als hört' ich schon den Frühlingswind.


– O sieh, schon länger wird der Tag,

Die Sonne gibt sich redlich Müh'.

Heut morgen ward von Amselschlag

Ich schon geweckt in aller Früh',


Und hab' im Garten zart und frisch

Die ersten Veilchen schon gesehn.

Hier stell' ich sie auf deinen Tisch;

Du aber sollst ins Freie gehn.
[254]

Du hast zu viel geträumt, gedacht,

Bis dir das Blut am Herzen stockt.

Die Mutter kommt heut auf die Nacht,

Dann wird geplaudert und tarockt. – –


Der Tag ist trüb, die Welt ist grau,

Doch warm und heiter ist's im Haus.

Das Lächeln einer lieben Frau

Treibt alle bösen Geister aus.

Quelle:
Paul Heyse: Gesammelte Werke, 3 Reihen in 15 Bänden, Reihe 1, Band 5, Stuttgart 1924, S. 254-255.
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