Auf der Höhe

[284] Hoch über dem Kloster

Da schwebet ein Weih,

Aus himmelhohen Lüften

Er tut einen Schrei.


Dicht unter dem Kloster,

Wo der Ölwald sich senkt,

Da grünet die Halde,

Vom Gießbach getränkt.


Da klettern die Ziegen

Dem Berg um die Stirn.

Einen Ölzweig in Händen

Sitzt hütend die Dirn'.
[284]

Sie schaut in die Ferne

Weit über die Schluft;

Ihr wehen die Haare

In der spielenden Luft.


Auf einmal da lacht sie

Und tut einen Schrei;

Hat nichts zu verkünden,

Ruft niemand herbei:


Schreit nur, daß die Stille

Nicht sprengt ihre Brust,

Wie der einsame Vogel

Vor himmelhoher Lust.


(Toscolano)


Quelle:
Paul Heyse: Gesammelte Werke, 3 Reihen in 15 Bänden, Reihe 1, Band 5, Stuttgart 1924, S. 284-285.
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