Seltzame Artzney.

[398] Ich habe (schreibt Ludovicus Guvon) eine Damoiselle von Ehren zu Ravon gesehen / welche man von Porreau nennete: dieselbe hat sich in ihrem Leben nicht wollen der Artzney bedienen / sie mochte eine Kranckheit haben / so groß sie wolte: sondern in allen ihren Schwachheiten / Schmertzen / Zipperlein / Beschädigung und Kinds-Schmetzen wolte sie keine andere Artzney brauchen / als einen Trommelschläger mit der Flöten / und diese nennte sie ihren Artzt.[398]

Als sie auf ihr hohes Alter / an einem Knie grosse Schmertzen vom Zipperlein hatte. Befahl sie eines Tags ihrem Spielmann / er solte ihr eine Courante spielen: derselbe rührte seine Trommel mit grosser Geschwindigkeit / und bließ so starck seine Flöte /daß er viel Athems und Kräffte verlohr / und daher gantz ohnmächtig aufs Pflaster nieder fiel. Als er nun nicht mehr aufspielete / und man geschäfftig war /ihm aus der Ohnmacht wieder aufzuhelffen: er aber in derselben fast 3. Viertel Stund blieb / ohne wieder Erlangung seiner Kräfften und Verstands: beklagte sich das Weib hefftig und sagte: sie empfindete die alleräussersten Schmertzen / und grösser als sie ihr Lebtage ausgestanden hätte. Endlich kame der Trommelschläger wieder zu seinen Kräfften und Verstand; und nachdem er eine gute Mahlzeit zu sich genommen /und guten starcken Wein getruncken / begab er sich wieder zu seiner vorigen Verrichtung: da befand die Frau / daß ihr auf der Stelle besser wurde: in diesem Zustand lebte sie hundert und sechs Jahr.

Quelle:
Hilarius Salustius, / MELANCHOLINI / wohl-aufgeraumter / Weeg-Gefärth, / Vorbringend / Lächerliche, anbey kluge Fabeln, [...]. Gedruckt im Jahr 1717, S. 398-399.
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