Der zwölfte Auftritt.

[60] Die Vorigen. Wilhelmine.


WILHELMINE. Es hat geschlagen, lieber Herr Vater.

DER MAGISTER zu Orbil. Die Jungfer Tochter – ohnfehlbar der Gegenstand – Zieht sich ein Paar weiße Handschuh auf, hustet und bereitet sich pedantisch vor. Vor sich. Quod Deus bene vertat. Zu ihr. Ich bin herzinniglich erfreuet –

ORBIL verlegen, zu ihm. Was ich Ihnen sagen will, lieber Herr Magister, und also – – Zu ihr. Geh nur, meine Tochter, über eine Viertelstunde werde ich allein seyn.

WILHELMINE vor sich. Das ist mir alles bis auf die weißen Handschue und den lateinschen Scharfuß des guten Pedanten, ein unauflößliches Räthsel. Zu ihnen beyden mit einer Verbeugung. Ich empfehle mich –

ORBIL. Ohne Umstände meine Tochter, ohne Umstände. Zu Lisetten. Der heutige Tag ist voll Verwirrung. Laß uns allein Lisette: Ich will ihm frei heraus sagen, was ich denke.

LISETTE zu ihm. Ich gehe. Vor sich. Zu Valeren, um ihn zu einer Rolle vorzubereiten, die ohnfehlbar sein Glück machen wird. Sie geht.

DER MAGISTER. Welch eine vortrefliche Tochter Herr Orbil. Ich habe nichts schöners in meinem Leben gesehen. Venerem ipsam superat! Vor sich. Ich muß ein Ende machen! Mein Vetter –[61]

ORBIL. Der Herr Simon – er ist sonst ein guter Freund von mir gewesen –

DER MAGISTER. Und ich glaube, daß ers seines kleinen Eigensinns ungeachtet auch bleiben wird. Errare humanum est.

ORBIL. Ach ja, ich liebe Freunde und Feinde, und beide kommen zu verschiednen malen in meinen Hausandachten vor.

DER MAGISTER vor sich. Man muß es ihm näher legen. Zu ihm. Herr Simon hat mir gesagt, daß ich herbestellt wäre, und warum, lieber Herr Orbil? Er lächelt.

ORBIL vor sich. Ich vergehe vor Verwirrung – was soll ich sagen? Zu ihm. O lieber Herr Magister, ich wollte mir nur – Ich wolte mir nur eine kleine Dißertation machen laßen –

DER MAGISTER. Sie scherzen –

ORBIL. Ganz und gar nicht, ganz und gar nicht, lieber Herr Magister, man hat mir gesagt, daß man sie bei Ihnen sehr gut gemacht bekäme.

DER MAGISTER voll Zutrauen. Ich bin hergekommen – Lächelt.

ORBIL. Wie ich Ihnen sage Herr Magister und für Ihren Gang – darf ich wohl so frei seyn, eine Kleinigkeit – –

DER MAGISTER vor sich. Ich versteh ihn nicht. Er ist zu gutherzig. Zu ihm. Nein Herr Orbil, nimmermehr – –

ORBIL. Es ist gutes Geld. Ich bin nicht gewohnt, verrufnes bei mir zu tragen.[62]

DER MAGISTER. Sie sind gar zu gütig; behalten Sie doch Ihr Geld, wenn ich Ihr Schwiegersohn bin, so – –

ORBIL. Mein Schwiegersohn?

DER MAGISTER. Nun ja! mein Vetter hat mir alles gesagt, und auf meine Verschwiegenheit können Sie sich verlassen. Vor den Sponsalibus soll nichts auskommen –

ORBIL. Davon kann nichts werden.

DER MAGISTER. Was? Sie wollen Ihr Wort brechen?

ORBIL. Ich habe Ihnen nichts versprochen.

DER MAGISTER. Aber meinem Vetter.

ORBIL. Ihr Vetter ist ein Mann ohne Treu und Glauben.

DER MAGISTER. Herr Orbil!

ORBIL. Herr Magister!

DER MAGISTER. Wissen Sie auch, mit wem Sie sich einlassen?

ORBIL. Mit einem Manne ohne Ordnung!

DER MAGISTER. Was? Ich, loannes Godofredus Blasius, Philosophiae et artium liberalium Magister?

ORBIL. Ich, Johann Christoph Orbil, Herr in meinem Hause!

DER MAGISTER. Autor immortalis![63]

ORBIL. Vater einer tugendhaften Tochter!

DER MAGISTER. Der es mit Ihnen gerichtlich ausführen kann, wenn Sie sich nicht bei Zeiten vergleichen.

ORBIL. Der sein Hausrecht brauchen wird, wenn Sie nicht gehen.

DER MAGISTER. Was? ich rufe alle 9 Musen zu Zeugen!

ORBIL. Und ich alle meine Stubenuhren.

DER MAGISTER. Hätte ich nur meinen letzten Respondenten mit, der sollte es auf der Stelle durch den Degen mit Ihnen ausmachen. – Wir sprechen uns vor Gericht coram Praetore.

ORBIL nimmt ihm beim Arm. Entweder Sie gehen, oder – –

DER MAGISTER. O hominem audacem. Er droht und geht ab.


Quelle:
Gottlieb Theodor von Hippel: Der Mann nach der Uhr. Halle a.d.S. 1928, S. 60-64.
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