Der achtzehnte Auftritt.

[75] Die Vorigen. Der Magister.


ORBIL. Sie können mich zu nichts zwingen, Herr Magister, meine Tochter ist vergeben und wenn alle Collegia –

DER MAGISTER. Ich komme nicht aus dieser Ursache Herr Orbil! – O me infelicem! – Ich komme mich bei Ihnen wegen der Ungerechtigkeit meines Vetters zu beklagen. Ich gehe zu ihm, um ihm von allem, was vorgefallen ist, Nachricht zu geben, und der unbesonnene Mann verbietet mir sein Haus, nimmt mir zwey Freitische, die ich wöchentlich Montag und Freitag bei ihm gehabt – –[75]

VALER. Herr Vater – Sieht Orbilen bedeutend an.

ORBIL. Ich versiehe Sie Zum Magister. Herr Magister! Sie können Montags und Freitags bei mir speisen, aber Puncto 12 – Puncto 12! – Er sieht die Uhr heraus und thut sehr erschrocken. Eben ein Viertel! Zu Valeren und Wilhelminen. Empfangt meinen väterlichen Seegen! lebt lange! und zeugt ordentliche Kinder! Er zieht seine Schreibtafel heraus und schreibt indem er pedantisch saget. So gegeben im Jahr von Erschaffung der Welt nach Calvisii Rechnung 5712. Von der Sündfluth 4056. Von Jerusalems Zerstöhrung 1693. Von Erfindung des Geschützes und Pulvers 383. Von Erfindung der Perpendiculuhren 106.

JOHANN vor sich. Wenn er nicht anführt: von Verrückung seines Haupts: so fehlt diesen Rechnungen das vornehmste.

ORBIL welcher fortfährt. Von Christi Geburt anno 1763, welches ein gemein Jahr ist von 365 Tagen, den 17. November nach Mittage, 1 Viertel auf 5 Uhr. – Ihr könnt euch umarmen Sie umarmen sich. – Vergeßen Sie nicht, Herr Bräutigam, daß Sie den ersten Kuß – Sieht auf die Uhr. 16 Minuten auf 5 erhalten haben.

JOHANN. Diesmal schlägt seine Uhr nicht richtig!

DER MAGISTER. Ich nehme an allem was ich gesehen und gehöret habe mit innigem Vergnügen Antheil, und werde nicht ermangeln meine dissertation, die ich eben unter Händen habe, dem neuen Brautpaar volente Deo zu dediciren.[76]

ORBIL. Nein Herr Magister! um des Himmels Willen! nein! wollen Sie die jungen Leute anstecken? in der Nacht aufzuspringen! Kein Wort von ihrer dissertation, wenn wir gute Freunde bleiben sollen – kein einziges Wort!

DER MAGISTER. Alles nach dero gütigem Belieben mein Herr Orbil. Ich bin es zufrieden, und nehme mir vor, das zu erlebende preiszwürdige Valer- und Orbilische Myrthenfest mit irgend etwas anderem von meiner Hände Arbeit, und das aus zweien Ursachen, zu bezeichnen, wie folget: Einmal, damit ich eo ipso der Welt nicht undeutlich zu verstehen gebe, daß mir 2 Freitische aus Ihrer unverdienten Güte zugeflossen –

ORBIL. Ja, ja, es ist alles wahr lieber Herr Magister, aber wenn nun die Welt zum Unglück auf andere Tage kommt als Montag und Freytag, und das ist leicht möglich! Ueberdies, wer wird die Welt darauf bringen, daß ich puncto 12 anfange, – ein wichtiger Umstand wenn von meinen Freitischen geredet wird! Hören Sie nur Herr Magister, wenn man diese Sache in reifliche Erwegung zieht, so sieht man erst die bösen Folgen ein, die daraus entstehen könnten. – Geben Sie ja der Welt nichts undeutlich zu verstehen – es bleibt indeßen bei unserer Abrede Herr Magister, Montags und Freytags – in Parenthesi Sie sind doch über 30?

DER MAGISTER. Jahre in allen Ehren und ein Lustrum drüber.

ORBIL zu Lisetten. Daß dem Herrn Magister nur ja ein Lehnstuhl gesetzt werde! Zum Magister. Ich habe es so in meiner Familie eingeführet, daß sich keines vor dem 30 Jahre eines Lehnstuhles bedienen müße, wenn es nota[77] bene nicht eine Frau in gesegneten Umständen ist. – Sie werden sich dergleichen Dinge einmal vor alle mahl merken Herr Schwiegersohn.

DER MAGISTER. Um aber von unserm Gespräche nicht abzukommen, so muß ich Ihnen pro secundo sagen, daß meine Wenigkeit das hohe Hochzeitshauß mit einigen Blümlein es sey in prosa oder in ligata ausstreuen möchte, um den nach Stand und Würden geehrten Herrn Bräutigam sole ipso illustrius et clarius zu überführen, wie wenig Feindschaft ich gegen ihn des Vorzuges wegen habe, der ihm an dem heutigen Tage durch Vater und Tochter beygeleget worden – –

ORBIL. Ha das läßt sich hören – das ist ganz was anderes – schreiben Sie immerhin was nieder – und wenn Sie – Doch, das möchte Ihnen wohl zu schwer fallen lieber Herr Magister – ich dachte eben daran, wenn Sie ein Verschen wo die Jahrzahl hervorragt anfertigen könnten – Ein –

DER MAGISTER. Ein Chronostichon.

ORBIL. Getroffen – das ist das rechte Wort! Ein Chro –

DER MAGISTER UND ORBIL zusammen. Chronostichon.

ORBIL. Wilhelmine! Lisette! behaltet dieses Wort – es gehen zwar 4 Secunden drauf – es schadet aber nichts – das Wort ist seine Secunden werth Zum Magister. ja wenn Sie so etwas zu der Hochzeit meiner Tochter –

DER MAGISTER. Gut, Herr Orbil, das sollen Sie haben, in dergleichen Dingen bin ich ohne Ruhm zu versichern, recht stark – Verlaßen Sie sich auf mich![78]

ORBIL. Und wenn Sie sogar den Tag anbringen könnten –

DER MAGISTER. Den Tag – das ist re vera ein Originaleinfall, Herr Orbil – Wie doch auch Leute die nicht dem Lager der Minervä folgen – Ich will sehen was meine Kunst vermag, Herr Orbil.

ORBIL. Sie sollen es mit keinem unerkentlichen Menschen zu thun haben – Sieht nach der Uhr. 40 Minuten, Herr Schwiegersohn, nicht wahr?

VALER. Ganz richtig.

ORBIL. Lisette! Johann! setzt Stühle an! Die Stühle werden herbeygebracht und Orbil, welcher jedes an seine Stelle zeigt, sagt indem er sich zum Sitzen vorbereitet. Um 5 Uhr setzen wir uns alle nieder.

Quelle:
Gottlieb Theodor von Hippel: Der Mann nach der Uhr. Halle a.d.S. 1928, S. 75-79.
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