§. 12.


junge Paar,

[61] dem nun freilich sein beschiedenes Theil auch nicht vorenthalten blieb, machte sich sehr zeitig aus dem Stadtstaube, und entging dem Wespenstiche der bösen Zungen durch seinen Einzug auf den[61] freiherrlichen Gütern, wo alles, was lebte und Odem hatte, dem jungen Ehepaare jubilirend entgegenkam. Man hat sich zu sehr an den Soldaten die Augen verdorben; sonst ist ein Menschenhaufe, jung und alt, Mann und Weib, Kind und Kegel, oder der Säugling, der steht und fällt, ein contrastirendes, ein herrliches, malerisches Bild: – ein englischer Garten, wenn ein Soldatenhaufe einem holländischen ähnlich steht. Auf die Baronin, deren Seele (bis auf die Stern- und Kreuzseherei) gut und unverfälscht war, machte das Landleben einen lebendigen Eindruck, der, wie der lebendige Glaube, in Liebe thätig ist. Das neue Ehepaar lebte, wie fast jedes neue Ehepaar, nach dem Vorbilde des Adam-Evaschen Paares in den ersten Tagen im Paradiese; und ob es gleich dem Afterreden und dem bösen Leumund des benachbarten Adels nicht entging, sondern in dieser Rücksicht aus dem Regen in die Traufe kam, so setzte es sich doch über diese Verleumdung hinaus, und war vorzüglich nur darüber bekümmert, daß der Emsige vielleicht noch einmal heirathen möchte. An einem nebeligen Morgen warf man sogar auf das alte Fräulein Verdacht, da man ihre Ehenetze kannte, und es ward beschlossen, sie, wenn es Ernst würde, bonis modis auf das Land zu ziehen. Die Anerbietung, ihr nicht nur Einen, sondern alle Tage in der Woche den Freitisch decken zu wollen, hatte sie bis jetzt abgeschlagen. Die Ursachen blieben ein Geheimniß und unterstützten den Verdacht. Doch dieser Verdacht gehörte bloß auf die Rechnung des Nebels und war so ungegründet, daß der betrübte Wittwer, von Gram und Kummer auf Wegen und Stegen begleitet, sich begnügte, in dem Spiegel von des Herrn Nachbars Kaufmannsglück das Kreuz seines Schwiegersohnes tagtäglich zu erblicken. Zwar konnte nicht geläugnet werden, daß der Emsige, der das Freitischfräulein in jenen Wechseltagen förmlich angefeindet hatte, sich jetzt außerordentlich gütig gegen sie betrug; allein was that das zur Sache? Es ist eine weit sicherere[62] Speculation, Menschen zu seinen Wohlthätern, als zu seinen Schuldnern zu machen, wenn man sie benutzen will: sind sie das letztere, so wird es ihnen beschwerlich, uns zu sehen, weil sie gemahnt werden; sind sie das erstere, so sehen sie uns als gute Werke an, mit denen man gern prahlt, und an denen man, durch zweckmäßige Bemühung, ein Meisterstück in seiner Pflichterfüllung gemacht zu haben sich einbildet. Der Emsige wußte selbst nicht, wie er zu dieser Gemüthsveränderung gegen Fräulein Cousine kam; indeß war dieß auch sein wenigster Kummer. Wer macht seinem guten Herzen nicht gern ein Compliment, und wer findet sich durch dasselbe nicht mit dem lieben Gott und mit sich selbst ab? Wer glaubt nicht, durch den Beglückten die Erfolge einer vernünftigen Thätigkeit vermehrt zu haben? Wer eignet sich nicht dadurch ein Recht auf jene Zwecke zu, die der Gegenstand, gegen den wir wohlthätig waren, bewirkte? – Der Emsige hatte gewiß diese Ursachen seiner Zuneigung gegen Fräulein Cousine nicht auseinander gesetzt; vielmehr begnügte er sich, diese als ein Vermächtniß seiner seligen Frau anzusehen. Auch gut! Selbst wenn wir durch einen minder edlen Beweggrund Wohlthätigkeit bekommen haben, gewinnt sie doch über kurz oder lang durch jene edleren Reize, und wir sangen zuweilen an, sie, aus reineren Quellen abfließen zu lassen. – Das neue Paar war übrigens so wenig gewohnt, sich auf Gnade und Ungnade des ersten Eindrucks zu ergeben, daß an die Befürchtung, die Ameise möchte, zum zweitenmale heirathen, nicht weiter als an diesem und anderen nebeligen Tagen gedacht ward. Die Nachricht, daß seine Tochter sich in mütterlichen Umständen befände, war der Kreuzkrankheit des Emsigen ein wohlthätiges Kraut und Pflaster; und da er sich entschloß, auf die Güter seiner Kinder zu wallfahrten, bewirkte die schöne Natur, wozu seine gesegnete Tochter vorzüglich mit gehörte, auf dem eingefallenen, verbleichten Gesichte dieses Mannes einen so lieblichen Märzschein, daß man mit[63] Grund vermuthen konnte, das Landleben würde unserm Leidtragenden eine wohlthätige Medicin geworden seyn, wenn ihn nicht der Posttag und der Wechselkurs zurückgerufen und aus einem unbekümmerten, das heißt glücklichen Sterblichen auf's neue wieder einen Kreuzträger gemacht hätten. Uebrigens hatte unser Emsige nicht das mindeste Ansehen; denn da er von seinem Vermögen keinen äußern Gebrauch machte, und das Geld, so wie alles auf Erden, nur durch Anwendung seinen Werth bekommt, so zog kein Bauerjunge den Hut vor ihm ab, welches ihm indeß, weil er den seinigen gern schonte, so unwillkommen nicht war, ob er sich gleich ganz augenscheinlich und wie durch das Einmal-Eins überzeugte, daß einzig und allein auf der Börse der Ruf des Reichen hinreichend gilt, da er dort der Hahn auf dem Mist ist. Die


Quelle:
Theodor Gottlieb von Hippel: Kreuz- und Querzüge des Ritters von A bis Z. Zwei Theile, Theil 1, Leipzig 1860, S. 61-64.
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