§. 11.


Paradebegräbniß

[60] geschah fünf Tage nach der Hochzeit, ohne mehr Parade, als höchst nöthig war. Bei aller Mühe, die der Gewissensrath sich gab, in der Stadt diese Angelegenheit zu bemänteln, ließ das Gerede sich doch nicht ausrotten. Er selbst büßte sechs Beichtkinder ein, bei denen er aber wenig verlor. Dem Nachbar wurden von der studirenden Jugend, welche die Volksjustiz auszuüben gewohnt ist, die Fenster eingeworfen, und dem Emsigen konnte man es nicht vergeben, daß er aus leidigem Geize die Hochzeit nicht ausgesetzt, und daß er seine Frau, der freiherrlichen Verbindung halber, gegen die er sich zu wechselrechtlich erklärt, in die Gruft gebracht hatte. Seine Sache war es nicht, den Staub seiner Gattin zu besuchen, und sich von ihrem entflohenen Schatten eine Erscheinung zu erflehen, oder sich gar einzubilden, daß sie seine Seufzerlein behorche, seine Thränen zähle und auf ihn herablächle. – Wer wollte auch so viel von einem Kauf- und Handelsmanne verlangen, der gewiß schon mehr that, als von Hunderten seines Gleichen zu erwarten ist! – Indeß betrauerte er sie wirklich, so wenig auch seine Herzenstrauer bei dem Publikum, das einmal seines Geizes halber den Stab über ihn gebrochen hatte, Glauben fand. Die selig frau kam am besten bei dem Volksgerichte davon, weil sie todt war. Unter der Erde liegt Eldorado – nirgends anders, als unter der Erde. Das


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Theodor Gottlieb von Hippel: Kreuz- und Querzüge des Ritters von A bis Z. Zwei Theile, Theil 1, Leipzig 1860, S. 60-61.
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