§. 19.


Trauer.

[86] über den Emsigen ward so ausgekünstelt, daß man nicht wußte, ob es hier dem Vater oder einem andern weniger nahen Verwandten gelte, oder ob nicht vielmehr der Johanniterorden, der immer in Halbtrauer ist, diese Einrichtung erfordere. – Sit divus, modo non vivus, ist zwar fast immer das Ende vom Liede, und[86] eine jede Erbschaft verknöchert das fleischerne Herz einigermaßen; allein dieß war bei unserer Ritterin der Fall nicht. Selbst durch den Umstand, daß sie in den Augen der Welt dem Andenken des Vaters etwas von der Trauer entzog, gewannen er und ihre Mutter im Herzen. – Zwar nahm man hiervon Anlaß zu der Nachrede, daß sie sich ihrer Eltern schäme; wie kann man das aber, wenn sie todt sind? Wahrlich, sie hatte sich als Tochter nichts vorzurücken. Für's erste ward eine herrliche Rüstung aufgestellt. Nur bei der Nothtaufe hatte sie die Sporen verbeten; sonst war sie nicht dagegen. Da das brave Weib sich nie so sehr auf eine Seite neigte, wie der Herr Gemahl, so blieb sie sicherer vor dem Fall. A silentio, war ihr Hauptargument; weder eine witzige Schwächlichkeit, noch ein unvernünftiger Uebermuth kam ihr so leicht zu Schulden. – Sie hieß gnädige Frau, und war in gewiß tausend Rücksichten ein kreuzbraves Weib. – Wer sie verachtet, weil sie zu sehr nachgab, und weil sie sich die Ideen des Ritters zu bald eigen machte, überlegt nicht, daß sie eben dadurch als Weib gewann. Was helfen mehr Segel, wenn auch mehr Ballast im Schiffe ist? Es war mit unserer Ritterin etwas anzufangen; allein weder der Witzling, noch der Vernünftler durfte dieß geradezu seyn; der Witz mußte sich, so wie die Vernunft, fein ländlich sittlich in Empfindung kleiden, und dann machte man mit ihr, was man wollte. An Verstand war sie dem Ritter ohne Zweifel überlegen; an guten Gesinnungen gingen sie Hand in Hand. – Wer mag ihm sein Spiel verderben? Ist er nicht einer der eifrigsten Johanniterritter, die der Orden je gehabt hat? Kann er diese Ordensfreude an seiner Descendenz erleben? Und kennen wir nicht die Stern- und Kreuzseherei der Ritterin? Ende gut, alles gut! Immerhin, da er alles mit dem Johannitermantel, als dem wahren Mantel her Liebe, bedeckte! – Der


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Theodor Gottlieb von Hippel: Kreuz- und Querzüge des Ritters von A bis Z. Zwei Theile, Theil 1, Leipzig 1860, S. 86-87.
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