§. 18.


Die Taufe

[74] unseres Helden, die ich nicht länger aussetzen kann, wenn auch das Postscript des Emsigen mir nicht den Ausweg verträte – war eine Nothtaufe. Auf der Reitbahn von Entwürfen, wo der Vater unseres Helden sich befand, brachte ihn die Nachricht von der Schwächlichkeit seines ritterunfähigen Sohnes auf den Gedanken, zurückzukehren und sich vorderhand mit der Gewährleistung zu begnügen, die schon der erste Ueberblick in bester Form annahm: daß er ein Erbherr von dreimalhunderttausend Thalern wäre. Geld und Liebe haben die größten Reize, wenn man ihnen nicht zu nahe ist. Ueberhaupt enthält das Nahe wenig oder gar nichts, was uns befriedigen kann; in tiefe Ferne zu blicken, eine Aussicht, die, wenn ich so sagen darf, ins Unendliche geht, macht uns glücklich: – sie ist ein Bild, das uns bloß vorgaukelt und verschwindet, wenn dagegen das Nahe uns so steif und fest vorschwebt, und auswendig gelernt wird, daß es uns oft beschwerlich fällt. Dieß ist ein Bild der Zeit, jenes ein Bild der Ewigkeit. – Selige Ewigkeit! – Unser Baron konnte in der That nicht glücklicher seyn, als er durch diesen Vorschmack der Zukunft geworden war. Die Imagination begnügt sich nicht mit landüblichen Zinsen; sie erbauet für das Geld, wovon kaum eine Hütte zu Stande kommt, einen Palast. Unser Baron hatte sich so tief in dieß weite Feld ververloren, daß er Mühe hatte sein eigenes Haus zu kennen, wohin er, ohne zu wissen wie, gelangt war. Es kam ihm jetzt alles so klein vor, daß er nicht begreifen konnte, wie bis dahin Raum für ihn in der Herberge gewesen wäre. Der Sohn seines Leibes war[74] außerordentlich schwach; und dieß brachte ihn aus den Wolken auf die Erde. Er schickte einen Courier zum Prediger loci, und gleich hinterher feurige Rosse und Wagen, um die heilige Taufe zu beschleunigen. Während dieser Extrapost-Veranstaltung war es ihm eingefallen, ob er nicht selbst in hochwürdiger Person, versteht sich, nur dann, wenn der Pfarrer nicht zu Hause wäre, den Taufactum übernehmen könnte; und dieser Gedanke eröffnete allem andern, was sonst in seinem Kopf und Herzen vorging, eine andere Bahn. Da stand er, der geistliche Ritter, in Lebensgröße! Auf einen Berg Gottes hatt' er sich in seinem hohen Sinne postirt! Ein Hoherpriester dünkt' er sich, unter dessen Füßen die andern Priester ihr Werk trieben; ein Adler, der zur Sonne fliegt, und unter dem tief gesunkene Krähen schreien, und Sperlinge Fliegen fangen. Erwünscht! Der Pfarrer hatte zu einer unglücklichen Stunde den Entschluß gefaßt, seinen Schwager zu besuchen, und nicht etwa über Feld, sondern über Land zu ziehen. Erst nach drei Tagen sollte er zurückkommen. Freilich hätte unser Ritter nach einem andern benachbarten Geistlichen schicken, oder auch die Heimkunft des Herrn Ordinarii abwarten können, da das Kindlein seit der Zeit sich wenigstens nicht verschlimmert hatte; indeß sah er diesen Vorfall als göttlichen Ruf an, und so ward denn zur Vorbereitung geschritten. Bei der Komödie ist die Probe das beste; und wer hat nicht bemerkt, daß die Anstalten zu jeder Feierlichkeit das Hauptstück bei der Sache sind? Friedrich II., König von Preußen, fragte bei Gelegenheit eines Gevatterstandes den taufenden Geistlichen, dem er beliebte Kürze hatte empfehlen lassen: ob er auch etwa einen nothwendigen Tropfen des Formulars ausgelassen habe? (Der Taufactus kam ihm nämlich zu sehr epitomirt vor.) Sollte denn nun wohl nach dieser Frage des allerchristlichsten Königs Friedrichs II. jemand scheel sehen, daß ich meinen Helden umständlich nothtaufe? Noth hat kein Gebot; und wer ist es, der[75] mir hier Regeln vorzeichnen will? – Der erste Vorbereitungsumstand war der Ort, wo die Taufhandlung geschehen sollte; und da ward nach genauer Hausvisitation beliebt, daß kein schicklicherer Ort, als die verfallene Capelle, dazu gebraucht werden könne. Zwar war sie seit undenklichen Jahren zu einer Taubenkammer entwürdigt worden; indeß ward sogleich der Befehl zur Läuterung und Reinigung erlassen. Unmöglich konnte der Taubenrost von so geraumer Zeit, der sich hier überall angesetzt hatte, so schnell ausgefegt, und eine Taubenkammer in so kurzer Zeit wiedergeboren werden, daß der alte Adam nicht immer auf die Aergerniß suchenden fünf Sinne hätte wirken können. Der Stall des Augias schien dagegen ein Kinderspiel. – An Geld fehlte es nicht; aber obgleich selbst die Hochseligkeit feil ist, so hat doch das Geld in gewissen Fällen, z.B. in Hungers- und Durstnoth, in Gewissenssachen keinen wirklichen Werth. Auch verlor es seinen Valeur in der Taubenkammer. Zum Glück wußte unser Hochwürdiger durch ganz andere Mittel dieser Nothtaufhandlung eine Würde beizulegen, die ein gewöhnlicher Geistlicher zu leisten nicht vermag. Hier kann ich den Wunsch nicht bergen, mit den Gaben eines schriftstellerischen Apelles ausgerüstet zu seyn, denn ich bekenne frei, daß mir diese Scene fast zu schwer zu malen scheint. Lieber wollt' ich die weiland Königin Elisabeth von England darstellen, die, wie bekannt, durch von Gottes Gnaden schön seyn und aus einer Taubenkammer eine Taufcapelle erzwingen wollte. – Zu Gevattern wurden nach der Zahl der Buchstaben 24 regierende Herren, den heiligen Vater mit eingeschlossen, gebeten. Wenn gleich unser Ritter lange in gerechtem Zweifel war, ob und in wie weit Se. Heiligkeit diesen Gevatterstand in einer evangelisch-lutherischen Taubenkammer anzunehmen geruhen würde, so entschloß er sich doch, bei Gelegenheit dieser Taufhandlung dem heiligen Vater den Pantoffel zu küssen, und war außer sich vor Jubel, daß Se. Heiligkeit nach[76] allen gehobenen Schwierigkeiten am Ende kein Bedenken trug, Ja zu fragen. Das darf denn auch wohl keinen Wunder nehmen, da die andern Dreiundzwanzig Herren waren, deren Se. Helligkeit sich nicht schämen durfte. Beiläufig dient zur Nachricht, daß das Gevatterbitten im geheimsten Incognito geschah, und daß die, welche die Pathen vorstellten, wahrlich zu Gesandten nicht erkoren zu seyn schienen. Indeß kommt es in allen großen Dingen vorzüglich auf die Einbildung an. Was für Jünger werden nicht oft in alle Welt gesandt, um die regierenden Herren vorzustellen! Und doch sollen diese Herren Repräsentanten, wie man sagt, ihre Originale übertreffen und ihre Rollen oft besser machen, als sie. – Unser Ritter bewirkte diese wichtige Sache in der stillsten Stille und so einsam, wie weiland Se. kaiserliche Majestät Domitian der Fliegenschütze sich von seinen Regierungssorgen erholte. Bloß die Frau Sechswöchnerin war von dem Vorhaben des Herrn Gemahls unterrichtet, und sie zerbrach sich denn auch sehr den Kopf, wie doch diese gekrönten Häupter unter einander wegen des Ranges einig werden, und besonders, welchen Platz Se. Heiligkeit sich zueignen würde? Ihr fiel Ihro Durchlaucht die Fürstin Fingerlein ein; indeß hatte sie nicht nöthig sich gegen das Lachen zu waffnen – da wohl gewiß bei einer hohen Versammlung. in Menschengöß kein Lachen besorgt werden konnte. – Auch erfuhr es nach der Zeit der Pastor loci, welcher gegen die Gebühr von 24 Ducaten diese 24 regierenden Herren in das Kirchenbuch eintrug, und wohlbedächtig die alphabetische Ordnung wählte, um in Hinsicht des Ranges aller Verantwortlichkeit für jetzt und in Zukunft, wenn sein Taufbuch höchsten Orts requirirt werden sollte, auszuweichen. Man sagt, einer unter den Ducaten sey ein Kremnitzer, und zwar ein beschnittener, gewesen, und der Pastor loci habe sich die Freiheit genommen, ihn auf die Rechnung des heiligen Vaters zu setzen. – So leicht es um und um genommen dem Ritter ward, die[77] hohen Taufzeugen zu vermögen, daß sie die Pathenstelle übernähmen, und sie beiläufig in der Taubenkammer in eine geistliche Verwandtschaft zu bringen, so ward es ihm doch äußerst schwer, die übergangenen Potentaten zu beruhigen, daß er sie nicht zu Taufzeugen gebeten hatte; denn über die Buchstabenzahl hinaus zu gehen, war nicht sein Wille. – Auch mußten sich die Majestäten und Durchlauchten, Se. Heiligkeit nicht ausgeschlossen, in höchsten Gnaden gefallen lassen, daß dem Täuflinge nicht ihre Namen beigelegt wurden, indem er hierdurch mit dem goldenen A B C, das er sich einmal zur Richtschnur auserkoren hatte, in tausend Händel gekommen wäre. Durchaus wollt' er es nicht mit dem A B C verderben, wozu er auch sehr viele gute Gründe hatte. Jetzt schrieb er auf sein Täflein, und strich aus, daß es Schand' und Sünde war, bis er denn endlich, wie Zacharias, den Nagel auf den Kopf traf. Schwert und Lanze haben ihre Zeit; allein kleine Steine haben auch die ihrige, und sind dem Magen und dem Kopfe, wäre das Ziel auch der Flügelmann Goliath, und der Schleuderer der ahnenlose König David, gleich gefährlich. »Ja, ja; nein, nein: das Drüber und Drunter kann den Kohl nicht fett machen;« sagte unser Ritter, und schrieb und sprach: er soll A B C heißen. »So,« fuhr er fort, »hat er, wenn man's in abstracto nimmt, alle Namen in der ganzen Welt, und in concreto die ersten und besten Namen, die von Anbeginn gewesen sind und bis aus Ende seyn werden, Sela! Auch kann man unter A den Vokal der Seele, den lebendigen Odem aller Buchstaben, den Adam, den Stammvater aller Lebendigen, verstehen.« Ad vocem Adam kam er noch auf andere, weit tiefere Bemerkungen, die zur Sache gehörten. Adam, fuhr er fort, gab allen Thieren und allem Dinge, was Selbstlauter war, Namen, oder er holte sie aus dem Wesen dieser Vocal-Dinge heraus, indem er sie, so zu sagen, dem Dinge nachhallte, das er taufen wollte. Er schöpfte das Taufwasser aus dem[78] Dinge selbst, konnte man sagen, oder sein Taufwasser war Springquell und nicht Fluß- oder Teichwasser. Dieß Adamslexikon scheint denn nun wirklich in Dingen, welche Vokale und nicht Consonanten sind, bei nur einigem musikalischen Gehör auch so schwer nicht; was aber die Consonanten-Dinge, deren es freilich so viele in der Welt gibt, betrifft: so hat der junge Adam sich hier freilich als Meister bewiesen. Die ritterliche Nutzanwendung? Wie geht es zu, fragte er, daß der Sohn meines Leibes, der, wenn er gleich nicht Johanniterfähig ist, doch immer ein Vocalis genannt zu werden verdienen wird, mir in puncto der Namen so hoch zu stehen kommt?

Es ist gewiß eine Denkwürdigkeit, daß ich die eigentlichen Namen unseres Helden, aller ersinnlichen Mühe, die ich angewendet, ungeachtet, nicht habe herausbringen können. Im Kirchenbuche war nichts als A B C D E F G H I bis X Y Z, nebst den hohen Taufzeugen verzeichnet; und ich habe Ursache zu glauben, daß unser Held seine 24 Namen selbst nicht gewußt haben mag; – denn in der That, es gehört viel Gedächtniß dazu, 24 unbedeutende Worte zu behalten. Auch weiß ich nicht, warum man nicht so gut A B C, als Gregor heißen könnte; – Namen sind Zeichen.– Daß unter A Adam zu verstehen gewesen sey, ist wohl keinem Zweifel unterworfen, und da die hohen Taufzeugen wegen dieses Mangels an Aufmerksamkeit abgefunden sind, so weiß ich in der That nicht, wie irgend sonst jemand es sich herausnehmen könne, bedenklich zu thun.

Weit wichtiger scheint mir der Einwand: Wie unser Ritter nach der Zahl der Buchstaben ein vier und zwanzigmaliges Falsum begehen und dazu gegen 24 Dukaten in gewisser Art auch den Pastorem loci habe verleiten können. – Hier ist die Auflösung, die er seinem lieben Weibe, wiewohl lange nach der Taufhandlung,[79] zuwandte. Das gute Weib ist viel zu gefällig, als daß es nicht erlauben sollte, an dieser Auflösung Theil zu nehmen.

Nicht auf das, was vor Augen ist, sondern auf das Herz und die Gesinnungen kommt es an. Ich habe nun einmal 24 Regenten zu Taufzeugen erkoren; ob sie wirklich dazu schriftlich eingeladen worden sind, und diese Einladung angenommen haben – darauf kommt es wohl nicht an. Die Sache nach christlichen Sitten genommen, konnten sie nicht Nein sagen. Hätten sie wirklich eine abschlägige Antwort ertheilt, so würden sie unrecht gehandelt haben, und es war sehr gut, daß ich sie zu dieser wirklichen Sünde nicht kommen ließ. Nahmen sie es aber an, wie wohl zu vermuthen ist, so kam ich durch einen Richtsteig weit kürzer an Ort und Stelle, wohin ich auf dem geraden Wege weit langsamer gelangt wäre. Hab' ich nicht das Porto erspart, wodurch sich die Postbedienten mehr als der Staat bereichern? Ein negativer Pathen- und Ehrenpfennnig! Ich verlange nichts, als die hohen Namen der Regenten, und auch diese nur im Kirchenbuche, das, so Gott will, außer dem Pastore loci niemand lesen wird. Ob nun diese Namen, die in jedem Fingerleinkalender stehen, beiläufig auch im Taufbuche vorkommen – was will das sagen? That ich mehr, als daß ich diese Namen aus den Kalendern in das Kirchenbuch eintragen ließ? Erhöhte ich nicht, was erniedrigt war? – Sollte mein A B C- Sohn der Hülfe seiner hohen Pathen bedürfen, so würd' es niedrig seyn, sich auf einen Umstand zu berufen, der so wenig zur Sache thut, wie eine Pathenstelle. Hat er Verdienste – bedarf er wohl dieses Mittels, um überall Hülfe zu finden? Der edle verdienstvolle Mann hat überall Pathen. Ist es Anreiz für meinen A B C, sich emporzuheben, so nehme man es doch mit dem Beweggrunde zum Guten nicht so genau. Nur auf den Umstand, daß das Gute geschieht, kommt es in der Welt an. – Daß die Herren Volksrepräsentanten nicht wissen, wen sie[80] vorstellen, ist nichts ungewöhnliches; wie selten wissen sie das? Und daß ihrer nicht eben 24, sondern mehr in der Taufkapelle waren – was thut das zur Sache? Die Anzahl der Repräsentanten von England im Unterhause beläuft sich auf 489, derer von Wales auf 24, derer von Schottland auf 45, überhaupt auf 558 Mitglieder. So unverhältnißmäßig als möglich! Und wem ist es unbekannt, daß die Herren Kandidaten von den Wahlmännern die Stimmen, wie der Emsige, seliger, Weizen, Roggen, Gerste, Hafer u. dgl., erhandeln? Man sagt, dieses Wahlgeschäft sey in England ein Handelszweig, und dieser Seelenkauf und Verkauf bringen 3 Millionen Pfund Sterling in Umlauf, und komme selbst der Regierung an 500,000 Pfund Sterling zu stehen. Geschehen dergleichen Dinge am grünen Holze – warum sollten sie am dürren bedenklich seyn? – Was in London geschieht, kann auch in Rosenthal geschehen. Oder könnten sich etwa die regierenden Herren für beleidigt halten? Bin ich nicht Edelmann, Ritter und reich? Wird nicht alles im allerstrengsten Incognito getrieben? Auch kann diese Sache den regierenden Herren nicht schwer fallen, da sie von diesem Geschäfte (wie es wohl oft der Fall ist) selbst nichts wissen. In der That, wenn es ihnen nicht viel Mühe macht, thun sie nicht ungern Gutes. Der Gevatterstand ist etwas Gutes, das ihnen gar keine Mühe kostet; sie wissen nicht, daß sie es thun. Verlang' ich für den Pathen eine Fähnrichsstelle? Eben so wenig wie einen Doctorhut! Mag er sich alles selbst verdienen, und mögen Schleicher ihre Windelsöhne zu Fähnrichen wachen; ich nicht also.

Die Baronin war völlig überzeugt, und konnte nicht begreifen, warum man überhaupt zu Gevatter bäte, und warum man nicht schon längst die Gewohnheit eingeführt hätte, nach Wohlgefallen in das Kirchenbuch einschreiben zu lassen, wen man wolle. Gewiß, sagte sie, werden die gekrönten und fürstlichen Häupter es hoch[81] aufnehmen, daß man sie bloß unter ihres Gleichen eingeladen hat. Nicht immer werden sie es so gut haben wie bei dieser Taufhandlung. – Die Toleranz war ein Hauptzug bei dieser Feierlichkeit. Da kamen von allen Confessionen, Zungen und Sprachen die Volkshäupter zusammen, und vertrugen sich brüderlich. Den türkischen Kaiser hatte der Ritter nicht gebeten, und wie konnt' er auch, da er ein Hauptfeind des Ordens ist, und das heilige Grab noch bis auf den heutigen Tag von diesem Vater des Unglaubens so schnöde vorenthalten wird?

Doch es ist Zeit, daß wir den Ritter als Täufer sehen! Es wird ein Zeichen durch die Eßglocke gegeben, daß jedes, weß Standes, Geschlechtes und Würden es wäre, sich in die Kapelle, oder, damit man nicht X für U nähme, in die Taubenkammer, zur Abgabe seines Ja einfinden sollte. Ich darf wohl nicht bemerken, daß es an Ja-Herren und Frauen nicht gefehlt haben wird. Man dünkte sich viel, daß der gnädige Herr geruhte, seine unterthänigen Knechte und Mägde in solchen Gnaden anzusehen. Nur der lose Schulmeister, der im Herzen des Dafürhaltens war, daß nicht der Ritter, sondern er, ein eigentlicher Nothtäufer vigore officii wäre, schüttelte den Kopf und flüsterte dem Gevatter Nachtwächter ins Ohr, daß heute dem Dorfe gebratene Tauben in den Mund fliegen würden, welches der Nachtwächter sich lächelnd ad notam nahm.

Der Ritter hatte seinen schwarzen Mantel mit dem weißen Kreuz umgehängt, und war in Stiefeln und Sporen und in vollständiger Rüstung, als es hieß: das Taufwasser sey warm.

Gut, sagte er; und schnell fielen ihm über die Sporen Zweifel ein, die denn auch, nach einem gründlichen Für und Wider, von der Wöchnerin mit vielen Gründen verbeten wurden. »Wie kann man an Gott glauben, wenn ihn ein Teufel predigt?« meinte der rebellische Schulmeister, und der Nachtwächter trat durch ein[82] kritisches Kopfnicken bei. Hätte Freund Schulmeister gewußt, daß er, als der einzige Geistliche, natürlich allein fähig war, Se. Heiligkeit zu repräsentiren, sein Neid würde sich in Dank verwandelt haben. Ungewöhnliche Saat bringt ungewöhnliche Früchte. – Der Ritter erhebt seine Stimme; das Volk staunt. Fast wörtlich wußt' er die Taufformel auswendig, welches dem Volke, wie alles, was ihm aus dem Gedächtnisse mit Parrhesie verkündigt wird, als Eingebung vorkommt. Da er an den Exorcismus kam, that es ihm doch leid, daß er seine Sporen abgelegt hatte, weil er desto nachdrücklicher hätte auf die Erde stampfen können. Was ihm indeß an Rüstung abging, ersetzte er durch das Pathos seiner Zunge. Was seine Stimme erheben heißt, konnte man hier kennen zu lernen die Ehre haben.

Fahr aus, schrie er, als ob er den Satan auf Pistolen herausforderte – fahr aus, du unreiner Geist! – Einige von den Ja-Sagern und Ja-Sagerinnen wollten den Teufel lichterloh in Gestalt eines Strahls gesehen haben; sie behaupteten, daß sie einen häßlichen Gestank empfunden hätten. Indeß konnten diesen wohl ehrwürdige Ruinen von der Taubenkammer verursacht haben, und jenes war dagegen ganz füglich von dem Kreuze des Täufers abzuleiten, das an seiner Brust hing. – Allgemein ward gewünscht, daß der Exorcismus bei der Taufe beständig von einem geistlichen Ritter und nicht von einem Geistlichen ausgesprochen würde, damit der Teufel nicht zurückbliebe, wie es oft, weil er sich vor dem Geistlichen entweder nicht fürchtete, oder wohl gar mit ihm in heimlicher Verbindung stände, der Fall wäre.

Als unser Ritter an die Worte in dem Taufformular kam: »Nimm hin das Zeichen des heiligen Kreuzes, beides an der Stirn und an der Brust!« war alles in Bewegung. Jedes schlug sich ein Kreuz; so elektrisch wußte unser Ritter das Kreuz zu schlagen. Ueberhaupt schien unser Ritter (bis auf den Schulmeister, der viel[83] zu tadeln fand, was er indeß einzig und allein seinem Freund Nachtwächter anvertraute) vielen Beifall einzuernten; und die Dorfschaft hätte um vieles ihre Kinder nicht mehr bei Sr. Wohlehrwürden, sondern bei Sr. Hochwürden taufen lassen. Indeß hatte der Pastor loci sich in die Zeit geschickt und Gelegenheit genommen, in der nächsten Sonntagskinderlehre die Fälle näher zu entwickeln, in denen einzig und allein eine Nothtaufe stattfinden könne. Auch vergaß er nicht, zu bemerken, daß, wenn sie selbst etwa in diese Feuersgefahr oder Wassersnoth, wie man es nennen wollte, gefallen wären, dem Geistlichen doch seine Gebühren bezahlt werden müßten – wenn anders nämlich der liebe Gott das Kind in seinen Gnadenbund auf- und annehmen solle. Daß unser Ritter diese Katechisation nicht mit angehört habe, führe ich bloß beiläufig an. – Das besonderste war, daß unser Held ABC bis XYZ nach der Nothtaufe sich von Stunde zu Stunde erholte, so daß die Dorfleute in den Aberglauben verfielen, der Johannitermantel sey ein Abkömmling von Elias Mantel und habe hier mitgewirkt. – Einige nannten den Actum: Feuertaufe; zum Unterschiede von der, die der Pastor zu geben gewohnt war. Selbst die Taubenkammer brachte auf herrliche Ideen, und bei Menschengedenken ist keine solche Taufe gewesen. Der Baronin hatte dieser Actus außerordentlich gefallen. Ist es Wunder, da die Hauptpersonen, Mann und Kind, ihr so nahe am Herzen lagen? Ihr Beifall ging so weit, daß sie die Taufe eines gewöhnlichen Predigers für eine Nothtaufe hielt, und daß in ihren Augen nur ein geistlicher Ritter ein Täufer in einem erhabenen Verstande seyn konnte. Sie ward so verliebt in den schwarzen Mantel, daß ihr Gemahl ihn nach vollbrachtem Taufactus auf das Wochenbett legen mußte; und wenn gleich dieses Auflegen nicht im Stande war ihr die verlornen Kräfte wieder zu ersetzen, so blieb es ihr doch feierlich, indem dieser Mantel sie nebenher an ihren[84] Vater erinnerte und den Wechsel von Freude und Leid, das unwandelbare Loos der Sterblichen, versinnbildete! – Die Feierlichkeit des Mantelauflegens geschah bei verschlossenen Thüren – caetera textus habet. Wer nothtaufen kann, der kann auch mehr. Schon wissen wir, daß der Ritter Täufer sich Mühe gegeben, seiner Frau Gemahlin den Hintritt ihres Vaters auf eine gute Manier in einem Säftchen beizubringen; jetzt mochte es ihm wirklich so vorkommen, als fänden sich bei seiner Frau Gemahlin die verlornen Kräfte unter dem Mantel schneller wieder ein, oder hielt er es für den bequemsten und angenehmsten Zeitpunkt, seine liebe Frau in sein Netz zu ziehen? Kurz, er dachte zu schmieden, da das Eisen warm war, und gab sich Mühe, die Ritterin zu vermögen, ihm die Erbschaftsgeschäfte und die Anlegung des Geldes zu überlassen; allein er hätte es nicht nöthig gehabt, so peinlich auf diesen Augenblick zu denken. Die Baronin kam ihm auf halbem Wege zuvor; diese Stunde war längst bei ihr gekommen. Alles stellte sie ihm anheim; und warum auch nicht? – Sie war ein edles Weib; doch blieb sie Weib, das heißt: sie war nach der Weise der jetzigen Weiber erzogen. Da den Weibern bei keiner andern feierlichen Gelegenheit des Lebens eine Rolle zugetheilt wird als wenn sie sich verheirathen (welche Festlichkeit indeß durch das Ehebett so viel von ihrem Pathos verliert, daß man am Brautmorgen nicht weiß, wie man daran ist, und weßhalb so viel Zwang und Streit und Widerstreben hat vorausgehen müssen, um sich so bald und so enge zu vereinigen), so ist es natürlich, daß besonders junge, mit der Welt und ihrem eigentlichen Gehalte noch unbekannte Weiber, einen rechten Drang nach Feierlichkeiten verspüren. Sie lieben nicht nur Männer, die öffentlich ihr Licht leuchten lassen und mit Glanz auftreten, sondern mögen auch außerordentlich gern pompvollen Anlässen beiwohnen. Sie können sich nicht vorstellen, daß unter diesen Reverenden nichts weniger[85] als Ehrwürde verborgen sey; der Mantel macht bei ihnen den Philosophen. Werden sie älter, so sehen sie freilich ein, daß nichts hinter den meisten unserer Feierlichkeiten steckt, daß der Kern der Schale, die Glocken der Predigt, die Poesie der Musik nicht werth ist; und nun fallen sie von einem Extrem auf das andere, und lachen gemeiniglich über etwas, das ihnen zuvor so wunderbar, hehr und hoch schien. Unserer Ritterin fehlte es gewiß so wenig an Kopf, wie es ihr an Herz gebrach; indeß hatte sie vom Johanniterorden und dessen Stiftung aus der teilnehmenden Relation ihres Gemahls eine so große Idee, daß sie ihn für nichts geringeres als einen Original-Nothtäufer hielt; – und in der That, sie traf nicht weit vom Ziele. Um alles in der Welt wünschte ich, daß das gute Weib bei meinen Lesern durch ein gehaltenes Consilium nichts verlöre, wovon ich meiner Leserwelt nur die Resultate, ihr zum Besten, mittheilen will. Es ward beschlossen, dem Orden im Rosenthalschen Schlosse hier und da ein Andenken zu stiften; und so sehr auch unser Ritter ins Weite und Wilde ging, so wurden doch die sieben Hauptpunkte mit dem größten Beifall der Ritterin verabredet und abgeschlossen, so daß alles Ein Herz und Eine Seele war. Sie spielten beide unter Einer Decke und unter Einem Mantel, und über ein Kleines werden wir die Ehre haben, die Folgen dieses Plans zu ersehen. – Die


Quelle:
Theodor Gottlieb von Hippel: Kreuz- und Querzüge des Ritters von A bis Z. Zwei Theile, Theil 1, Leipzig 1860, S. 74-86.
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