§. 21.


Veränderung,

[88] welche der Todesfall des Emsigen in dem hochfreiherrlichen Schlosse bewirkte, gewann ein so geschwindes Fortkommen, daß es fast stündlich etwas neues zu bewundern gab. Unter andern ließ der Ritter sich dreimal malen, und en gros wie en détail, in Lebensgröße wie in Miniatur, hing ein schwarzer Mantel mit einem weißen Kreuze über seinen Schultern. – Drei Schlafröcke auf einmal, von dunkler Farbe, damit das darauf gestickte Kreuz sich desto besser ausnähme. Einer dieser Schlafröcke war wie ein Mantel gefertigt, und der Ritter sah darin ungefähr so aus, als ob er zum Ritterschlage vorknien sollte. Die Communion empfing er, ob er gleich die Taufhandlung an seinem Sohne nicht mit Sporen und Rüstung verrichtet hatte, in förmlicher ritterlicher Kleidung. Daß besonders zu Anfange das ganze Dorf, und zum Theil auch die benachbarten Honoratioren, vel quasi zusammenliefen, um den Ritter communiciren zu sehen, war natürlich. Da trat denn Monachus armatus auf, und empfing kniend die heilige Communion, welches ihm noch obendrein als eine große[88] Demüthigung ausgelegt ward. Der Pastor loci gewann stillschweigend hierdurch in den Augen des Volkes zehnfach bei dem Sacramente des Altars, was er beim Sacramente der heiligen Nothtaufe eingebüßt hatte; denn wenn gleich Se. Hochwürden gewiß nicht vor Sr. Wohlehrwürden auf den Knien lagen, so weiß man ja doch, wie selten die Person des Geistlichen bei seiner geistlichen Handhabung abgesondert wird. Wer den Baron nicht Ew. Hochwürden nannte, bekam, wenn er etwas hat, zwar keine abschlägige, wohl aber beim »Fiat, wie gebeten« eine unfreundliche Antwort. Seinen Bauern ward durch einen Anschlag in den Schenken bekannt gemacht, daß sich niemand unterstehen sollte, ihn anders zu tituliren, indem er durch strenge Gelübde verpflichtet wäre, hochwürdig zu seyn oder zu heißen; was denn die gemeinen Leute in eine nicht geringe Verwirrung brachte, da sie die Gewohnheit hatten, den Pfarrer loci Ew. Wohlehrwürden zu nennen, und mit diesen Ehrwürden sehr ins Gedränge kamen. Da übrigens die Kreuze in Rosenthal sich außerordentlich mehrten und hierbei nicht auf Kosten gesehen ward, um diese Verzierung recht reichlich und prächtig auszuspenden, so hieß es spottweise: es sey kein Haus in der Christenheit, das so viel Kreuz habe. Der Schulmeister, der wie wir schon wissen, ein Schleicher war, glaubte noch tiefer gesehen zu haben, und fürchtete heimlichen Katholicismus, welchen er vorzüglich in der religiösen Rittermanier und Kreuzausspendung fand, wodurch er jesuitisch beabsichtigte, die Herzen des Pöbels (der, um zu beweisen, wie klein er ist, sich so gern an alles, was groß ist, hängt) von der Nothtaufe des Ritters und andern unzeitigen Anhändlichkeiten loszumachen. Ob nun gleich der Schulmeister seinen Hirtenstab nicht gegen das Schwert des Ritters heben konnte, sondern wohlbedächtig bloß in Emblemen, einsylbig und (was nicht viel auseinander ist) zweideutig zu Werke ging, so wirkte doch dieses Stückwerk von geäußerter Befürchtung, eben wegen dieser[89] Oekonomie und Heimlichkeit, gewaltiglich, so wie alles, wovon man Ein Drittheil, und dieß noch brockenweise, ins Ohr entdeckt, die beiden andern Drittheile aber zurückhält und im Schatzkästlein seiner Gewissenhaftigkeit verschließt, wiewohl so laut, daß man die Schlösser rasseln hören kann. Uebrigens hätte unser Schulmeister immer noch mehr sagen können, da sich unser Hektor nur mit einem Achill ohne Schande messen konnte, und unser Ritter zu keinem Duell auf kleine Steine fundirt war, selbst wenn der ahnenarme König David ihn dazu herausgefordert hätte.

Als der Stammhalter ein Jahr alt war, sollte er, und neben ihm auch seine Mutter, zu Jerusalem im Tempel dargestellt oder eigentlicher in den


Quelle:
Theodor Gottlieb von Hippel: Kreuz- und Querzüge des Ritters von A bis Z. Zwei Theile, Theil 1, Leipzig 1860, S. 88-90.
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