§. 30.


Examen

[120] vor, und eröffnete es mit einer Anrede über den Ausdruck Wappen-König, welchen Namen er sehr gelehrt von Wappenkundig ableitete. Was meinen Sie, sagte er zu dem Junker, wollen Sie nicht, wenn Gott Leben und Gesundheit verleiht, Wappen-König werden? – Nein, erwiederte der Junker, Wappen-Kaiser. Dieser Kaiserschnitt von Antwort setzte den Hofmeister in eine nicht geringe[120] Verlegenheit. – Wer Menschen kennen lernen will, muß sie nach ihren Wünschen beurtheilen, fing die Baronin an. Heil mir, daß ich Mutter ward! Beim Wunsche zwingt man sich nicht; man glaubt keinem in seine Grenze zu fallen. Die größte Unbescheidenheit findet man verzeihlich, und das Gebot: du sollst nicht begehren, scheint bei weitem nicht auf Wünsche anwendbar zu seyn. – Zwar sollten nach Art der Examinum dem Junker gelehrte Daumenschrauben angesetzt und er über einige Special-Artikel peinlich vernommen werden; indeß hatte der Hofmeister, wie wir aus der kritischen Frage vom Wappen-König ersehen, sich schon in die Zeit schicken lernen; und anstatt aus dem Credit und Debet von des Junkers Verstand und Unverstand eine Balanz zu ziehen, wußt' er es so zu kehren und zu wenden, daß die Frage die Antwort, und die Antwort die Frage enthielt. Eine Hand wusch, wie in unseren Katechismen, die andere.

Das römisch-kaiserliche Wappen ward gar zierlich zerlegt, wobei der Ritterin der zweiköpfige Adler, seiner Zweiköpfigkeit ungeachtet, nicht mißfiel. Des vierten Quartiers sechzehntes silbernes Feld brach Sr. Hochwürden das Herz. Die Worte: »im sechzehnten silbernen Felde ist ein von vier kleinen in den Seitenwinkeln besetztes goldenes Krückenkreuz wegen Jerusalem,« kamen kaum zum Vorschein, als ein Examen-, Waffen- und Wappen-Stillstand einbrach, und alles mit dem Worte: »Jerusalem« sich endigte.

Der Hofmeister, der bloß ex libro doctus war, dankte nun freilich dem Himmel, daß er so unversehens den rechten Fleck getroffen hatte; indeß that es ihm herzinniglich leid, daß er seine Schlußrede, welche von den redenden Wappen handelte, nicht anzubringen Gelegenheit fand. Er setzte sich dieser Rede halber vieler Gefahr aus, und wagte einige Saracenische Ueberrumpelungen, konnte aber gegen die Tapferkeit unseres Ritters nicht aufkommen.[121] Bloß an der Tafel hatte er Gelegenheit, den Inhalt seiner abgeblitzten Schlußrede anzudeuten und ad unguem zu zeigen, worin er das Wesentliche, das Zufällige und das Modische des Rosenthalschen Wappens setze. Diese Dreiheit führte ihn überhaupt auf die drei Ingredienzien eines Wappenrecepts, und zu einer lehrreichen Unterhaltung. Zum Wesen, wenn anders diese Kunst ein Wesen hat, rechnete er, wie Rechtens, das Feld oder den Schild, die Tinkturen und die Figuren; zum Modischen den Helm, die Helmzierrathen, und zu dem Zufälligen, das nur einigen Wappen zusteht, die Standes- und Ordenszeichen, Schildhalter, Wappenzelte und Mäntel, Sinnsprüche, Familienparole, Symbola. Wie schrecklich unser Ritter mit seiner Lanze bei dieser Gelegenheit über die Mode herfuhr und ihr den verdienten Lohn gab, wird man sich sehr leicht vorstellen, wenn man sich des natürlichen Rosenthalschen Abscheues gegen alles, was Mode ist und heißt, erinnert. Die Mode sollte auch so viel Bescheidenheit haben, sich dem Gothischen Tempel der Heraldik mit mehr Ehrerbietung zu nähern, und ihre Arabesken anderswo loszuschlagen suchen! Ist es nicht ein elendes, jämmerliches Ding um die gepriesene menschliche Freiheit? Da, wo lex scripta den Menschen losläßt, bindet ihn die Mode, um ihn auch da nicht frei zu lassen, wo er sich völlig frei zu seyn glaubt und frei seyn könnte. – Der Uebergang des Hofmeisters von den drei Ingredienzien des Wappenreceptes auf den Umstand, daß aller guten Dinge drei wären, Geist, Seele und Leib, Rock, Weste und Beinkleider, brachte den Baron auf die ritterkecke Behauptung, daß jedes Ding von Wichtigkeit drei Wörter in und zu seinem Dienste habe. Unter vielen Beweisen war der Ritterin merkwürdig, daß das Wort stürzen dem Vieh, das Wort sterben von gemeinen Menschen, das Sonnenwort untergehen dagegen von vornehmeren gebraucht werden sollte. So war der in Gott ruhende hochwohlselige Herr Vater unseres Ritters untergegangen, der[122] Vater seiner Frau Gemahlin Gnaden nur gestorben, sein Hund ob er gleich bebändert war, gestürzt. – Wer hätte gedacht, daß das Wesentliche, Modische und Zufällige bei den Wappen mit so vielen Anlässen zu erbaulichen Betrachtungen an die Hand gehen könnte! –

Der Ritter, eingedenk, daß er seinem Sohne, außer der von ihm entworfenen Instruktion, auch Hochselbst Unterricht zu geben verheißen hatte, bereitete sich schon längst auf dieses Geschäft im Stillen vor; und im Stillen, wiewohl mit Zuziehung der Frau Gemahlin, ward beschlossen, daß, da man diesen Unterricht in der Dämmerung ertheilen würde, er auch


Quelle:
Theodor Gottlieb von Hippel: Kreuz- und Querzüge des Ritters von A bis Z. Zwei Theile, Theil 1, Leipzig 1860, S. 120-123.
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Kreuz- und Querzüge des Ritters A bis Z
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