§. 7.


Antwort

[45] Sr. Edlen selbst zu überbringen, um die unedlen Folgen des Wechselrechtes von sich abzulehnen. Wahrlich, dieser Gang war so glücklich, wie jener der neugierigen Baronin an das Schlüsselloch unglücklich ausfiel. Unser Ritter war so wenig ein Schächer seinem Körper nach, daß der naseweise adelige Nachbar mit diesem Ausdruck bloß auf seine Glücksumstände, und, wie mich dünkt, sehr uneigentlich, angespielt hatte; und da er sein Kreuz sehr wohl zu legen wußte, dem unbezahlten Kleide es auch nicht anzusehen war, daß der Schneider noch ein Laus Deo in Händen hatte, es vielmehr ihm links und rechts nicht übel stand: so ging es mit ganz natürlichen Dingen zu, wenn unser Wechselbaron sogleich in den Saal genöthigt wurde, wo er, in Abwesenheit des Wechslers, dessen Frau und eheleibliche Jungfer Tochter, auch noch obendrein ein altes Frauenzimmer von Adel, die alle Sonn- und Festtage bei unserm Banquier einen Freitisch hatte, antraf. Dem zweimal heiligen Ritter blitzte die eheleibliche Jungfer Tochter, so sehr ins Auge, wie dieser das ritterliche Kreuz die Augen blendete oder brach. Kurz, sie verliebte sich schon in einmal Heilig, und das zweite diente dazu, dieß Feuer zu einem vollen und herzgefährlichen Brande zu verstärken. Mama fand, den Ritter so fein und lieblich, daß sie selbst, wenn es Gottes Wille gewesen wäre, ihn geehelicht haben würde. Nur der Freitischdame stieg das adeliche Blut, sobald sie den Ritter sah, sympathetisch ins Gesicht, weil sie sich herabgewürdigt fühlte, ihr Brod bei Sr. Edlen zu essen. Der alte Wechsler ward von diesen drei Grazien belagert, und er mochte wohl ob übel wollen, er mußte durch die Finger sehen. Die[45] Fristen, die unser Ritter wegen des Wechsels sich persönlich erbat, sahen die drei Grazien als so viele sinnreiche Erfindungen der Liebe an. Der Banquier ward durch das sehr höfliche Betragen des Wechselbarons selbst nachgiebiger, so wenig er sonst das Wort: Nachgabe kannte; er ließ sich indeß, Lebens und Sterbens wegen, noch eine besondere Schrift, und, weil er mit einem Baron zu thun hatte, auf Stempelpapier ausstellen, worin dieser ausdrücklich stipuliren mußte, auch die Verzögerungszinsen mit – vom Hundert bankbarlichst zu getreuen Händen berichtigen zu wollen. Der Emsige fand, wie er sich sonst erklärte, keine Bedenklichkeit, Zehn von Hundert zu nehmen, da selbst der Gott Abrahams und Isaaks sich durch den Erzvater Jakob den Zehnten oder zehn Procent versprechen lassen (1. B. Mose 28, 22). Indeß begehrte er vom Wechselbaron keinen Pfennig über die landesüblichen Zinsen. – Ob sich nun gleich nicht läugnen läßt, daß die Liebe allemal und in alle Wege (und wie man zu sagen pflegt: stock-) blind ist, so soll sie es doch, wenn man in ein Kreuz verliebt ist, noch mehr als gewöhnlich seyn. Die eheleibliche Jungfer Tochter war sterblich oder bis zum Tode in unsern Ritter verliebt, und auch er hatte aus der Noth eine Tugend gemacht. So wie die Noth vieles lehrt, so lehrte sie auch hier ritterliches Fleisch und Blut kreuzigen und sich bis zur ehelichen Zuneigung zu einer Bürgerlichen herablassen. Daß übrigens die Freitischdame zu dieser


Quelle:
Theodor Gottlieb von Hippel: Kreuz- und Querzüge des Ritters von A bis Z. Zwei Theile, Theil 1, Leipzig 1860, S. 45-46.
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