§. 9.


Gespräch

[50] fiel zwischen dem Emsigen und Madam über das Kreuz vor, das ihren künftigen Herrn Schwiegersohn bezeichnete.

»Blind!« sagte der Emsige, da er den Abend seinen Posttag früher als gewöhnlich beendigt, und wegen eines gestrandeten, nicht verassecurirten Schiffes, das ihm im Kopfe noch einmal strandete, Verfügungen getroffen hatte: »blind! blind! blind!«

Wer blind? erwiederte Madam.

»Sophie blind! Du blind! Alles blind!«

Sophie? –

»Ja sie, sie und Du und die neue Cousine; der Baron hat euch Augen und Verstand ausgestochen –«

Und dir der leidige Geiz!

»Wer ist leidig!«

Du, der Nachbar und alle die nicht einsehen, daß der Baron –

»Arm wie Hiob ist, der aber sehr reich wurde, ohne daß er einem ehrlichen Manne seine Tochter stahl –«

Wenn die Mutter einen Schwiegersohn hat, bindet sie es eher mit ihrem Manne an, und erwartet von dem Schwiegersohn Unterstützung; als ob er ihr mehr, als dem Schwiegervater zugehörte. Der Emsige verstummte vor seiner Schererin, zuckte die Achseln, und sagte nach vielen Hin- und Rückreden auf eine kaufmännisch witzige Art: der Wechsel des Herrn Baron sey par onore di lettera bezahlt. »Lettera,« sagte die Frau Schwiegermutter, und verstand keinen Laut von allem, was ihr zu Ohren gekommen war. »Lettera!« beschloß der Emsige und knirschte mit den Zähnen. Wäre die Cousine dabei gewesen, sie hätte auch lettera gesagt, und keinen als der Emsige, der mit dem Kalbe des Wechselrechts gepflügt hatte, würde den Sinn dieser Redensart verstanden haben.[51]

Der Nachbar, fing der Emsige an, hat sich Leides gethan –

»Den Hals abgeschnitten?« fiel Madame ein.

Die Börse einmal versäumt, erwiederte der Emsige; und sie – fiel so in's Lachen, daß der Emsige aus der ganzen Connexion kam, und ein Punctum statt eines Comma's machte.

Bin ich denn nicht Vater? fing er zu einer andern Zeit an.

»Was das für eine Frage ist!« erwiederte sie, ohne sich über diesen Umstand weiter auszulassen. Es ward vielmehr eine so bedenkliche Stille, daß beide streitende Parteien es gern zu sehen schienen, als Fräulein Cousine, die sich eine kleine Bewegung gemacht hatte, damit der Abend dem Mittage nichts nachgebe, wie gerufen dazwischen kam. Das Gespräch fiel auf die


Quelle:
Theodor Gottlieb von Hippel: Kreuz- und Querzüge des Ritters von A bis Z. Zwei Theile, Theil 1, Leipzig 1860, S. 50-52.
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