§. 100.


Reitknecht

[51] konnte zu keiner ungelegeneren Zeit als des folgenden Tages Audienz verlangen. – Er bat, wer sollte denken? als dienender Bruder aufgenommen zu werden. Das bist du in meinem Dienst, – alle Menschen sind Brüder. – Da er indeß sich mit dieser Universalabfertigung und diesem christ. brüderlichen Machtspruch nicht begnügen wollte, sondern seinem Herrn eine Empfehlung von einem Bruder der Loge zum hohen Licht behändigte, den er die Pferde seines Herrn reiten lassen und der dem Ritter in diesem Briefe versprach, es bei der hochwürdigen Loge dahin zu bringen, daß der Candidat in der besagten Qualität unbedenklich gegen geringe Kosten aufgenommen werden sollte, falls nämlich der Herr Baron ihn zum Stallmeister zu erheben die Güte haben würde; so ward der Ritter unwillig und verwies ihn, ohne ihn zum Meister zu[51] erheben, – in den Stall. Don Quixote, setzte er hinzu, brauchte einen Stallmeister, ich bedarf keines Sancho Pansa – (wozu Comparent auch keine Anlage hatte). Mit dieser von guten Gründen unterstützten Sentenz war der Candidat sehr wenig beruhigt, vielmehr brachte er in der Appellationsinstanz von einem schlecht unterrichteten Papst an einen besser unterrichteten bei, daß mit Pferden umzugehen oft schwerer sey als mit Menschen, – daß bei der Cavallerie das Volk nicht nach Menschen, sondern nach Pferden gezählt werde, daß Stallleute von jeher in gutem Rufe gewesen, daß Reiter und Ritter nur wie hoch- und niederdeutsch von einander verschieden wären, und daß Michael sein Vetter sey. – Michael, der bis dahin in seiner Kammer herzlich gelacht hatte, konnte als er diesen Umstand vernahm, sich nicht zurückhalten. Er sprang heraus, um den Reitknecht stehenden Fußes Lügen zu strafen. In der That Stoff zum Divertissement, wozu der Ritter, der seinen Kopf voll Geister hatte, die auf ihn wirkten, weder Lust noch Liebe besaß. Er gebot Schweigen und deutete dem Reitknecht an, daß sein Vortrag ihm kein süßer Geruch gewesen, der bei Stallleuten ohnehin etwas Seltenes wäre; er zähle nicht nach Pferden, sondern nach Menschen, und zwischen Reiter und Ritter sey freilich kein so großer Unterschied, wohl aber zwischen Stallknecht, selbst Stallmeister und Ritter; – was die Verwandtschaft mit Michaeln beträfe, so hätte er nichts dagegen und bleibe ihm sein Recht gegen Michael ausdrücklich vorbehalten; doch sollte er nie vergessen, daß Michael zu den Füßen Gamaliels gesessen und daß sein vermeintlicher Vetter seine Holzbündel von Reden, seitdem er in Gegenwart des Herkules ungebührlich an die Rosenthalsche Nothtaufe zu denken sich herausgenommen, so sein und künstlich zu legen verstände, daß zwischen Michaels und des Stallknechts Seele keine Verwandt- und Vaterschaft wäre, auf die es fast eben so viel als auf die leibliche ankäme. Da der Stallknecht von diesen übrigens[52] ganz planen Entscheidungsgründen in der zweiten Instanz nichts verstand, so ging er gerechtfertigt zu seinen Pferden; auch nahm sich der Bruder des hohen Lichts, den er die Pferde nothreiten lassen, seiner nicht weiter an, da das Gerede schon lange ging, der Baron würde nicht lange mehr in –


Quelle:
Theodor Gottlieb von Hippel: Kreuz- und Querzüge des Ritters von A bis Z. Zwei Theile, Theil 2, Leipzig 1860, S. 51-53.
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