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§. 124.


Gefängniß,

wo Michael eben, nach Urtheil und Recht, vierzig weniger Eins erhalten sollte, weil er nicht die von seinem Herrn ihm behändigte geheime Instruktion ausliefern wollte. Die Scene zwischen Damon und Pythias der alten Zeit konnte nicht rührender seyn, als zwischen Ritter und Begleiter. Dionysius verurtheilte, kraft der magischen Formel: car tel est notre bon plaisir, den Damon zum Tode und setzte den Executionstag an. Damon erbat sich vom Tyrannen nicht das Leben, sondern die Erlaubniß, seine Eltern zu trösten und ihren Segen zu seinem Tode einzuholen. Pythias, sein Freund, ward Bürge für seine Rückkehr, und wollte, da Damon etwas über die Zeit verzog, für seinen Freund nicht nur sterben, sondern gern sterben. Der Tyrann und alle Welt hatten nach der höchsten Wahrscheinlichkeit herausgebracht, Damon würde nie zurückkommen; und Damon erschien. – So Michael und sein Herr. Beim Richter erkundigte sich der Ritter nach den Entscheidung gründen dieses ihm unerklärlichen Urtheils, welches ihm, gegen Gebühr, in beweisender Form behändigt ward. Erstaunt über die kunstreichen Wendungen, welche der Seelsorger dieser Sache beizulegen gewußt, hatte der Ritter von Glück zu sagen, daß der Richter ihn nicht wegen grober Injurien gegen sein hohes Amt in Anspruch nahm, und daß er die herablassende Güte hatte, der beeidigten Aussage seines Wirths, er sey wirklich Michaels Herr, zu glauben. Denn über diesen Umstand hat der Richter nicht umhin gekonnt, dem Gastwirth einen Bescheinigungseid zur Pflicht zu machen, von Rechtswegen. Ist die Feinheit der Justiz nicht zu bewundern, wenn sie sich beweisen läßt, daß mein Ich nicht ein anderes Ich, als mein Ich selbst ist? Unfehlbar würde der Wirth, der auch ein Beichtkind des entwichenen Seelsorgers zu seyn schien, so leicht[132] nicht zu diesem Geständnisse zu bringen gewesen seyn, wenn der Flüchtling bei Fassung geblieben und durch die unerwartete Ankunft des Ritters nicht überrascht worden wäre. Der Seelsorger mochte sich überredet haben, der Ritter würde sich zum ersten aller Grade im ersten aller Orden vorbereiten lassen; und da er den Zeitmesser zu dieser und zur Vorbereitung des zweiten Abschnittes vom Orden aller Orden kannte, so war sein Rechnungsfehler natürlich. – Vielleicht glaubten die Herren von der Höhle, unser Ritter würde, so wie junge Leute bei dergleichen Aufnahme gewöhnlich pflegen, allem entsagen und sich nichts vorbehalten. Auf diesen höchst wahrscheinlichen Fall gab man (so kommt es mir vor) dem Welt- und Geistlichen Aufträge, Dinge auszumitteln, die den Ritter, der überstandenen Vorbereitung zu Nummer Eins ungeachtet, doch zur wirklichen Theilnahme an diesem Grade unwürdig erklären konnten. Daß die höheren Obern sieben, neun und zehn Ursachen hatten, sich nicht mit dem ersten Grade zu übereilen, und daß sie sich herzlich freuten, zu dieser Zurückhaltung ob der Reservate so scheingerecht verpflichtet zu seyn, ist aus sieben, neun und zehn Umständen mit vieler Sicherheit zu schließen. Ritter und Begleiter eilten in ihr Quartier, forderten ihre Rechnung (in welcher der Gastwirth wohlbedächtig auch das abgelegte Zeugniß mit zwei Thalern aufgeführt hatte) und waren eben im Begriff diesen Ort zu verlassen, als der Ritter Befehl erhielt, noch auf nähere Verhaltungswinke zur Abreise zu warten. Dieß veranlaßt eine


Quelle:
Theodor Gottlieb von Hippel: Kreuz- und Querzüge des Ritters von A bis Z. Zwei Theile, Theil 2, Leipzig 1860, S. 132-133.
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