§. 174.


warb

[304] in eben dem Grade um den Ritter, als dieser um sie, und auch hieß schien ein Gegenstand des Cirkels zu seyn, in welchem der Gastvetter Wortführer war. Adoptionsversammlung war die letzte Rollenvertheilung eines Mannes, um den es mir leid thut, daß er sich durch dieses schnöde Linsengericht um den Rang jenes Weisen brachte, der auch im Scherz keine Unwahrheit beging. – Als Johannes sich gegen dieß Theatralische erklärte, erwiederte der Gastvetter: Warum denn Himmel oder Hölle? Alles oder nichts? Ist das Böse nicht selbst Nebenumstand und Colorit des Guten auf Erden? Ist es nicht Gewürz des Lebens? – Johannes widerlegte ihn völlig, – – und ich habe Ursache zu glauben, der Gastvetter werde von Stund an nicht mehr Rollen vertheilen. – – Sophie machte dem Ritter den Sieg nicht schwer, doch erschwerte er sich selbst das Glück, sie zu lieben, da er sich überzeugte, ihrer nicht werth zu seyn. Zwar fiel es ihm nicht ein, zu wünschen, daß sie in Lebensgefahr käme, um ihr Ritterdienste leisten zu können, doch hätte er gern sein Leben für den Besitz dieses Kleinods aufgeopfert. Michael begnügte sich bescheiden zu wünschen, daß der Saum von dem Kleide seiner Zofe mit der Thüre beklemmt werden möchte, um sich ihr verbindlich zu machen. Ein Unterschied zwischen Ritter und Knappe mußte seyn. – Drei-, sieben-, neun- und zehnmal war unser Held belehrt worden: im Menschen wären zwei Naturen, die göttliche und die thierische; diese hätten[304] wir von der Mutter Erde, jene vom Vater im Himmel. Doch fand er, daß selbst sein Ideal der Vollkommenheit, seine Sophie, Gottlob! nicht eine Göttin war, und daß Menschengötter gewiß das höchste Ziel nicht wären, dem wir nachstreben könnten. – Je länger, desto mehr legte er es darauf an, Gott nicht mit dem Auge des Geistes, sondern des Herzens zu sehen, und zum Anschauen der Gottheit nicht durch den Verstand, sondern durch den Willen zu gelangen. Zwar ließ er es nicht an Reinigungen und Läuterungen der Seele fehlen, doch schien er fröhlich und guter Dinge, daß Sophie und er bekörpert waren. Und Michael – war so verliebt, daß er unbedenklich die göttliche Natur mit der menschlichen bei seiner Zofe vertauscht hätte, wenn es auf diesen kritischen Tausch angekommen wäre. Ein Apfel und eine Birn, pflegte der Engländer, wenn er den Ritter und Sophien ansah, mit Thränen im Auge zu sagen, ein Apfel und eine Birn, durch keinen Wurmstich angegriffen. In der That, dieß Paar war unschuldig und rein, als käme es aus den Händen der Natur. – Auch in der größten Gesellschaft waren die Blicke des Ritters und seiner Sophie ohne Scheu bei einander. – Große Leute pflegen durch Schönsprechen ihre Schwäche im gemeinen Leben zu decken; Verliebte sind hinaus über den Ausdruck. – Liebe ist allmächtig; nur Sprechen ist ihre Sache nicht. – Sie geht über alles, sie strengt Seele und Leib an – sie kann und will nichts halb thun. – Edel und frei bleibt ihr Gang; warum sollte sie heucheln und sich verbergen? Sie setzt sich über Ceremoniell und sanctionirte Gewohnheiten hinweg, ohne anzustoßen. Die Natur, die höchste Schule der Lebensart, ist ihre Schutzgöttin. – Der mütterliche


Quelle:
Theodor Gottlieb von Hippel: Kreuz- und Querzüge des Ritters von A bis Z. Zwei Theile, Theil 2, Leipzig 1860, S. 304-305.
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