§. 173.


Gastvetter

[302] ging noch weiter, er behauptete, daß ohne die gemachten Erfahrungen des Sohns die beste der Weiber, die edelste der Mütter die wenigen Sommersprossen nicht verloren haben würde, welche der Schönheit ihrer Seele nicht angemessen waren. In dieser Behauptung ging der Gastvetter zu weit. – Da die Männer sich so gern den Weibern größer darstellen, als sie wirklich sind, da sie ihren Thaten gemeinhin eine poetische Aufschwellung beilegen und sie über Gebühr anschlagen; da die Weiber ihre Existenz nach der Art, wie sie jetzt behandelt werden, noch weniger enthüllen können als wir die unsrige (als wir, sage ich, die wir denn doch wenigstens uns politisch stellen, als wären wir etwas); da es Männer gibt, denen die Weiber Größe der Seele und entschiedene Vorzüge nicht abstreiten können (obgleich diese Ehrenmänner zwischen dem wahren und dem falschen Gott, zwischen Vernunft und Baal oft gewaltig hinken); da manche Wundergesellschaft brave Männer anwirbt, die dergleichen Dinge entweder zur Erholung oberflächlich oder in der Absicht, dort[302] edlen Menschen zu Schutzengeln zu dienen, oder durch Gewohnheit eingeübt, fast wie in Gedanken oder – – mitmachen, was müssen Weiber, welchen man diese geheimen Triebfedern nicht zeigt, von jenen Wundergeeellschaften denken? – Auch wissen Weiber, daß ein gewisser Aberglaube, eine Art von Schwärmerei, sie kleidet, und viele sehen es als einen Putz an, der zu ihren Augen, ihrer Nase, ihrem Kinn und Munde absticht. Gibt es nicht Männer, welche diese Denkart ihrer Weiber als die einzige Sicherheit für ihre Treue ansehen? Und ist die Erziehung der Weiber von der Art, daß sie das Wahre von Dichtung in der Geschichte und in dem Gedichte abzusondern verstehen? Der Religionsunterricht ist nicht minder Nahrung für die Vorliebe zu Wundern in Hinsicht des andern Geschlechts, der bei uns durch das gemeine Leben eine andere Wendung erhält. Die alte Ritterschaft hatte besonders bei der Ritterin gewirkt, und in der That, sie muß bei allen Weibern, ja selbst bei Männern wirken, die sich der Imagination preisgeben. Das Rosenthalsche Jerusalem, die Neigung des edlen Weibes zum öffentlichen Zeichen des Vorzugs ihres Gemahls, und der Wunsch, daß auch ihr Sohn ein dergleichen Zeichen, wenn auch unter der Weste, erreichen möchte, der Zufall von gewissen Zahlen, auf die man in Rosenthal seit einer gewissen Zeit so aufmerksam war, und andere dergleichen Ungefähre, die, bei weniger Zerstreuung und zu vieler Musik, den gewöhnlichen Dingen einen deutungsreichen Anstrich geben, wirkten noch mehr und machten ein an Herz und Kopf großes Weib zu einer kleinen Schwärmerin. – Wahrlich! sie verdiente es – keine zu seyn; und von selbst, ohne daß die Erfahrungen ihres Sohnes dazu beigetragen hatten, war sie geworden, was zu werden sie würdig war.

Der Schwiegervater söhnte den Eidam mit dem Engländer aus, den er kannte und dem er bei seinem Querkopf und seiner Grillenfängerei Gerechtigkeit erwies. Die Ritterin hatte diesem[303] Sonderlinge gestattet, sein Leben in ihrer Nachbarschaft zu beschließen, ihm ihre Hand zu geben wäre freilich nicht viel weniger gewesen, als wenn sie ihre Religion geändert hätte. Sophie


Quelle:
Theodor Gottlieb von Hippel: Kreuz- und Querzüge des Ritters von A bis Z. Zwei Theile, Theil 2, Leipzig 1860, S. 302-304.
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