§. 178.


After-Sophie

[308] verlor der Engländer bei der Ritterin außerordentlich. Auch war sie nicht zufrieden, daß er ihr und der Tochter des vornehmen Geistlichen eine Zulage bewilligt hatte. Warum Zulage? Am Referenten lag w nicht. Dieser bemühte sich, der Sache die leidlichste Wendung beizulegen. Einem so geistigen Mann wie der Engländer, bemerkte die Mutter nicht unrichtig, sind Fehler dieser[308] Art weit höher anzuschlagen, als fleischlich gesinnten Weltmenschen. Sophiens Ankunft vollendete daß erhabene Vergnügen! Der Gastvetter bat für seine Tochter den Segen, und die Ritterin ertheilte ihn mit einer Rührung, die allen Ausdruck übersteigt. Schwester Cousine, sagte der Gastvetter, haben Sie nur den einen Segen? Segnen Sie auch im Namen des Seligen, dessen Andenken uns heute und immerdar hellig sey! Auch mir liegt das traurige Vergnügen ob, ihr den Segen für eine Mutter zu ertheilen, die nicht mehr ist. Die Mühe, die ich mir gab, Sophien zu erziehen, weiß der, der die Erziehung des menschlichen Geschlechtes so treulich übernimmt, und sie bei allen Hindernissen, die Menschen ihr entgegensetzen, nicht aufgibt. Die Mutter der Braut und der Vater des Bräutigams waren an einem Tage gestorben. Eben dieses Segensfest war der Sterbetag eines Elternpaars, das vorausgegangen war. – Die Kürze dieses Lebens, sagte der rührende Gastvetter, ist mir der beste Beweis von der Unsterblichkeit der Seele. – Ihre Thränen verdarben die Freude des Festes nicht. Selbst den Gesichtern gaben sie die schönste Schminke. – Die Verlobung ward ausgesetzt, bis der Engländer sich eingefunden haben würde. Die, Ritterin ließ sich nur nach und nach mit ihm aussöhnen; und doch darf ich behaupten, daß er ihrer Verzeihung nicht unwürdig war. Verziehen ist die Sache guter Menschen; doch muß man die Vergebung nicht zu leicht machen, um nicht rachsüchtig zu seyn. Wahrlich, es ist die empfindlichste Rache, leicht zu vergeben. Nach diesen Grundsätzen handelte die Ritterin. – Michael verfehlte nicht, seinen


Quelle:
Theodor Gottlieb von Hippel: Kreuz- und Querzüge des Ritters von A bis Z. Zwei Theile, Theil 2, Leipzig 1860, S. 308-309.
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