§. 179.


Gamaliel

[309] zu besuchen, nur schien dieser mit dem Holzbündel nicht zufrieden zu seyn, das Michael bei ihm ablegte. Die Frage: warum der Begleiter wider sein Versprechen so selten geschrieben hätte? beantwortete Michael durch eine mystische Fragantwort: Können abgeschiedene Geister immer erscheinen, wenn sie wollen? und bleiben nicht viele aus, welche diese Erscheinungen vor ihrem Hingange feierlichst verhießen? Hierdurch befriedigte der Begleiter freilich seinen Gamaliel nicht völlig, doch bracht' er ihn zum Nachdenken. – Michaels Antwort auf die Frage: was er mitgebracht? setzte den guten Pastor aus aller Fassung. Er wußte nicht, was, er von seinem Protagoras denken sollte. Hannen, sagte Michael, und that so entzückt, als Gamaliel verdrießlich. Doch war Gamaliel viel zu gutmüthig, um Michael unvertheidigt zu verurtheilen, und dessen Vertheidigung vermochte ihn, der für ein gegebenes Wort Ehrerbietung hatte, zu der Angelobung, nie in ihn dringen und nichts von ihm begehren zu wollen, als was Pflicht und Gewissen zu offenbaren ihm erlauben würden. Warum fürchten und ehren Menschen Geheimnisse? Sie denken, selbst verrathen und aufgedeckt zu werden. – Und so gutartig unser Pastor war, sollte er wohl ohne Verstandes- und Herzensgeheimnisse gewesen seyn – die er, trotz den Ordensgeheimnissen des dienenden Bruders Michael, nicht entdecken konnte? Aeußerst froh, daß der Ritter Sophien gefunden hätte, brannte Gamaliel vor Neugierde, seine künftige Kirchenpatronin zu sehen. Michael war es empfindlich, daß er nicht eben diese Neugierde wegen seiner Hanne bezeigte. Zur Nachricht. Als Gamaliel Sophien sah, ward er so hoch erfreut, daß er seinen unwiderstehlichen Hang zur Mystik darüber volle sechs Wochen aussetzte.


Quelle:
Theodor Gottlieb von Hippel: Kreuz- und Querzüge des Ritters von A bis Z. Zwei Theile, Theil 2, Leipzig 1860, S. 309-310.
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