Breslauer Schillerfest

[195] 10. Nov. 1838.


1.

Lasst die Philister immer schrei'n:

Gar keine Zeit wird bald mehr sein!

Wenn wir nur soviel Zeit noch haben

In Jugendlust voll Fröhlichkeit

Uns zu erfreun an Gottes Gaben,

Was kümmert uns dann noch die Zeit!

Ob leer ist oder voll die Tasche,

Ist nur immer voll die Flasche,

Und Herz, Geist und –

Der Magen gesund,

Dann kann man sich in unsern Tagen

Auch mit der papiernen Zeit vertragen;

Und wir lassen ein

Jeden Cassenschein,

Und mit Geduld ein

Jeden Staatsschuldschein,

Und ohne weitere Deliberation

Jede heitere Obligation,

Und wir halten nicht die Hand schief,

Wenn uns kommet ein Pfandbrief,[196]

Und wünschen, daß immer heckten

In unseren Kisten und Kasten die Staatseffecten,

Und freuen uns über jedes Lumpenpapier,

Wovon man leben kann bei dem Humpen dahier.


2.

Und wär' er auch für euch nichts weiter als ein Ketzer,

So war er doch ein biedrer edler deutscher Mann,

Den man im besten Weine wie im schlechten Krätzer

Genug nie loben noch auch je beschimpfen kann.

Und hätt' er nur gesprochen das Eine Wort,

So müsst' er leben unter uns hinfort:

»Wer nicht liebt Wein, Weib und Gesang,

Der bleibt ein Narr sein Lebelang!«

Hoch lebe du ehrlicher Dr. Martine

sine fine!


3.

Hoch lebe Scharnhorst! Preußens Schutzpanier,

Und Ehr' und Ruhm für Preußens Schaaren!

Was er uns ist, das wissen wir,

Wenn wir bedenken was wir waren.[197]


4.

(Der damalige Präsident des Festes, Prof. Schön, hatte kurz vorher einen Trinkspruch auf die Frauen ausgebracht.)


Schön hört sich's an, wenn Schön beim Schillerfest

Die schönen Frauen leben lässt.

Schön ging mit schönen Frauen schon voran,

Schön folgt auf schöne Frau'n der Mann,

Nicht weil er war der erst' im Paradies,

Sondern weil er ist der erste ohnedies.

Ich meine unter Mann nicht allerlei Leute,

Die jeder Tag uns bringt, das Morgen und Heute.

Wer männlich strebt und wagt, steht und nicht fällt,

Und männlich lebt, unverzagt geht durch die Welt,

Und männlich sich müht für's Gut' und Rechte,

Und männlich erglüht mit Muth wider das Schlechte,

Und männlich auf eigenen Beinen steht,

Und sich nicht nach jedem Wetter, Glauben und Meinen dreht,

Und männlich, mit Geduld, bieder erträgt,

Und männlich ohne Schuld nieder sich legt,

Und frei noch ist in Gefängniß,

Und froh noch ist in Bedrängniß,

Der weiß was er will, und will was er kann,

Ihr Männer, stoßet an!

Hoch lebe – mit und ohne Frau – der Mann!

Quelle:
August Heinrich Hoffmann von Fallersleben: Unpolitische Lieder von Hoffmann von Fallersleben, 1. + 2. Theil, 1. Theil, Hamburg 1841, S. 195-198.
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