[Ich bin verletzt durch deinen augen-strahl]

[418] C.H.v.H.


Ich bin verletzt durch deinen augen-strahl/

Der seinen blitz in meine brust getrieben/

Soll/ Lesbia/ du ursprung dieser qval/

Vergehen nicht mein hertze gantz im lieben;

So halte doch nur einen augenblick

Den strahl zurück.


Wen brennt die nacht der liebes-flamme nicht/

Als die zur glut dem menschen ist erkohren?

Ein gantzes meer lescht nicht ihr schönes licht/

In dessen abgrund Venus ward gebohren/

In wellen schwamm diß schöne ungeheur/

Und bleibt ein feur.
[418]

Mein hertz besteht aus wachs und nicht aus eiß/

Ich fühl und seh/ wie deine augen blitzen:

Zweyfache glut ist sterblichen zu heiß/

Was wunder/ wenn zwo sonnen mich erhitzen/

Die gar der himmel seltner schönheit preist/

Und brennen heist.


Nicht dencke/ daß es blosse worte seyn/

Welch hertz kan wohl bey deiner glut erkalten?

Du weist/ ich bin kein engel und kein stein/

Ich muß des blutes regung lassen walten/

Die Gott dem menschen schon im paradieß

Ins hertze bließ.


Drum zürne nicht ob diesem meinem brand/

Der sich aus deiner augen glut entsponnen/

Es ist/ mein kind/ ein werck von deiner hand/

Ach! dencke nach und straffe deine sonnen/

Aus welchen dieses feur/ so in mir glimmt/

Den ursprung nimmt.


So liebe dann was deine krafft versehrt/

Mein niedrig seyn kan deinen ruhm nicht tilgen/

Die sonne bleibet doch in gleichem werth/

Mahlt gleich ihr gold ein kleeblat nebst den lilgen/

Laß mich bey deinem warmen sonnenschein

Ein kleeblat seyn.


Quelle:
Herrn von Hoffmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte erster Teil, Tübingen 1961, S. 418-419.
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