|
[389] C.H.v.H.
Niemand weiß wie schwer mirs fällt/
Flammen in der brust zu hegen;
Und sie dennoch für der welt/
Nicht ans freye licht zu legen.
Feuer läst sich nicht verhelen;
Denn sein glantz ist allzuklar/
Und die glut verliebter seelen
Macht sich selber offenbar.
Hundert augen die von neid
Und von lauter argwohn brennen/
Sind auff mich zu sehn bereit/
Ob sie was vermercken können.
Noch verberg ich meine schmertzen/
Daß man keine funcken sieht/
Da die liebe doch im hertzen
Wie ein andrer Aetna glüht.
Dieses ist der liebe kunst/
Amor suchet finsternissen/
Und von seiner stillen brunst/
Muß der helle tag nichts wissen.
Venus bricht mit ihrem sterne
Erst bey dunckler nacht herein/
Daß die zarte jugend lerne
In der liebe heimlich seyn.
[389]
Drum gewehne dich mein muth/
Deine flammen zu verschweigen;
Laß von der verborgnen glut
Weder mund noch auge zeugen.
Must du dich gleich etwas zwingen/
Ist gleich die verstellung schwer;
Aus den allerschwersten dingen
Kommt die gröste lust offt her.
Perlen liegen eingeschrenckt
In den harten muschel-häusern.
Wer auff frische rosen denckt/
Sucht sie in den dornen-reisern.
Honig ist nicht ohne bienen.
Wer in Canaan will stehn/
Muß erst in Egypten dienen/
Und durch meer und wüsten gehn.
Vielleicht wird des himmels gunst
Mir das glück noch künfftig gönnen/
Daß die kohlen meiner brunst
Offenbarlich trennen können.
Itzo schreib ich meinem hertzen
Diesen wahren denck-spruch ein:
Feuers-glut und liebes-schmertzen
Müssen wohl bewahret seyn.
Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte aus Neukirchs Anthologie, Bd. 1
|
Buchempfehlung
Diese Ausgabe fasst die vier lyrischen Sammelausgaben zu Lebzeiten, »Gedichte« (1841), »Neue Gedichte« (1850), »Lyrisches und Episches« (1855) und »Neueste Gedichte« (1870) zusammen. »Letzte Gedichte« (1895) aus dem Nachlaß vervollständigen diese Sammlung.
278 Seiten, 13.80 Euro