Emma an Eginhard

[9] Wär Ich, mein Eginhard, was Ich zuvor gewesen,

Und müst ich nicht itzund in Brand und Banden stehn,

So soltest du ein Wort von meinen Händen lesen

Das auch dem Donner würd an Würckung gleiche gehn;

Ich schriebe: kahler Knecht, dein Hals ist nun verlohren,

Was Purpur fleckigt macht, das fällt dem Tod anheim,

Es hat des Himmels Schluß zum Feuer dich erkohren,

Vor Wespen, gleich wie du, ist nich mein Honigseim;

Was aus dem Scepter sprost, das soll kein Knecht entführen,

Und Keyser Kronen seyn vor deinen Garten nicht,

Du sollt des Keysers Brief, doch nicht sein Kind berühren,

Es muß was höhers seyn, so hier ein Siegel bricht.

Auff dieser hohen Bahn wirst du den Todt erjagen,

Wenn Wachs zur Sonne kompt, so wird es bald verzehrt,

Die Hoffnung die du hast, soll dich zu Grabe tragen,

Auch nur ein Traum davon ist aller Hencker werth.

Des Keysers Schreiber soll des Keysers Tochter küssen,[9]

Wie, leß ich? schlaf ich halb? wer irrt? ich oder du?

Des Königs Farbe soll mit Ruß gemischt seyn müssen,

Daß lasse Gott und auch mein Vater doch nicht zu.

Ein Mensch, der nicht zuwohl darf seinen Anfang nennen,

Und der mehr Dint' als Bluth vor uns vergossen hat,

Soll gegen mich, O Spott, in Liebesbrunst entbrennen,

Seyn Folltern auch genug vor solche Frevelthat?

Es müß ein schnödes Beil dir deinen Hals zuschmeissen,

Es reiß ein kalter Stahl den heissen Fürsatz ein,

Dann wolt' ich deinen Brief in tausend Stücken reissen,

Und sagen, Eginhard muß auch zerrissen seyn.

So schrieb ich, Eginhard, wär ich noch ungebunden,

Nach dem ich aber Magd, ja Sclavin worden bin,

Und mich das süsse Garn der Liebe hat ümbwunden,

So nimm von meiner Faust die schlechten Wörter hin.

Ich bin itzt hochbestürtzt mein Feuer zu entdecken,

Doch wahre Liebes Brunst ist voll Verrätherey,

Und konte dein Gesicht hier diesen Brand erwecken,

So weiß ich nicht, was dir mehr zu verhölen sey.

Mein Irrthum, wie mich deucht, ist trauren werth zu schätzen,

Ich weiß nicht wie ich doch in diese Flammen kam,

Ich wuste noch zur Zeit kein Wort von Liebesnetzen,

Als mich das schlaue Garn in Eyl gefangen nahm.

Es trat das heisse Blut mir in das Angesichte,

Als ich das erstemahl dich bey dem Vater fandt,

Es scheinet, daß daselbst ein Strahl von deinem Lichte,

Mich schon ersehen hat zu setzen in den Brandt.

Ich weiß nicht ob mein Geist dasselbemahl verspüret,

Daß ihm ein heisser Geist an seine Gräntze sprang,

Daß weiß ich, daß mein Blut sich überall gerühret

Und als ein strenger Fluß zu dem Gesichte drang.

Nach diesem hat es sich mehr als zuviel begeben,

Daß man mich hat gesehn vor dir erstarret stehn,

In deiner Augen Pech blieb offt mein Auge kleben,

Und konte sonder Pein nicht wohl zurücke gehn.

Drauff fühlt ich einen Trieb vermischt von Lust und Leiden,

Den ich bekennen muß, doch nicht zunennen weiß.[10]

Ein Mengsel von Begier, Bedencken, Furcht und Freuden,

Bald ward mir wohl, bald weh, bald kalt, bald wieder heiß.

Mein mattes Hertze ließ viel tausend Seuffzer fahren,

Die Thränen füllten mir offt beyde Lichter an,

Und kanten doch nicht recht, was meine Feinde waren,

Und was mir unverhofft Gewalt hat angethan.

Drauff hat ein kühner Traum mich gäntzlich angezündet,

Der dich mir allzufrech und lieblich fürgestellt,

So man auch schlafende, Bandt, Kett, und Netze findet,

Wo bleibet endlich doch die Freyheit dieser Welt?

Itzund entdeck ich dir, bestürtzet meine Wunden,

Betrachte sie, mein Freünd, als Wercke deiner Hand,

Ein Krüpel dient wohl sonst zur Kurtzweil der Gesunden,

Doch deine Wehmuth ist mir allzuwohl bekant.

Denn darf ich deinem Brief und deinen Worten trauen,

(Verzeihe, wo allhier ein kleiner Argwohn steckt,)

So kan ich Sonnenklar die schöne Flammen schauen,

Die einen hellen Strahl nach meiner Seelen streckt.

Nicht bitte, dich forthin als einen Knecht zu lieben,

Du herrschest über mich, ich bleibe deine Magdt,

Du wirst mich eher sehn die gantze Welt betrüben,

Als ungehorsam seyn in dem das dir behagt.

Des Vaters Kronen-Goldt, sein Purpur, seine Schätze,

Das ist mir leichter Koth, ich trett es unter mich,

Dein Wort ist mein Geboth, dein Willen mein Gesetze,

Mein gröstes Armuth ist zu leben ohne dich.

Genug mein Eginhard, ich kan nicht ferner schreiben,

Die Finger zittern mir, du hast genug Bericht,

Wer Wort und Meinungen kan auf das höchste treiben,

Der stecket voll Betrug, gewiß er liebet nicht.

Kom, kom, und säume nicht! Die Armen stehn dir offen,

Dir, dir verschreib ich mich, nur fodre deine Schuld;

Mein Wünschen ist itzund vermählt mit deinem Hoffen,

Du bist dem Vater treu und auch der Tochter hold.

Der Himmel blase nun in unsre Liebes Flammen,

Es weh' uns dessen Gunst Ziebeth und Bisem zu;

Es hefft uns seine Hand durch einen Drath zusammen,

Der keinen Mangel hat und lieblich ist wie du.

Begehrst du eine Zeit, ich wart auf dich nach Achten,[11]

Mein Zimmer wird alsdann ohn alle Riegel seyn,

Die Flammen lassen sich am füglichsten betrachten,

Wann uns entzogen ist der klahre Tages Schein.

Itzt schmeck ich allbereit die hochgewünschten Stunden,

Ach Sonne säume nicht, und ende deinen Lauff,

Du weist ja wie mir ist, du hast es auch empfunden,

Mein Briefflein schließ ich zu und meine Cammer auf.

Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band36, Stuttgart [o.J.], S. 9-12.
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