Algerthe an Reiniern

[14] Algerthe, so zuvor die Crone hat getragen,

So deine kühne Hand ihr selbst hat aufgesetzt,

Die will ein neuer Stern von deiner Seite jagen,

Und wird der alten Gunst forthin nicht werth geschätzt.

Die dein erhitzter Mund begierig war zu küssen,

Als sie der Feinde Blut auf Brust und Armen trug,

Die wird ein Gauckelspiel der Feinde werden müssen,

Ach daß mich nicht das Schwerdt mit seiner Schärffe schlug!

Denn wär ich dazumahl in heisser Schlacht geblieben,

So hett' ein schöner Todt beschlossen meine Zeit,

Man hette mir vielleicht auf meinen Sarg geschrieben,

Hier liegt die Jungfrauschafft und auch die Tapfferkeit.

Verachtung ist itzund mein bestes Leibgedinge,

Die Thränen träncken mich, die Seuffzer seyn mein Brodt,

Vor war ich allzugroß, itzt werd' ich zu geringe,

Und hab auff dieser Welt sonst keinen Freund als Gott.

Ich muß ein Spiegel seyn, in dem die Jugend schauet,

Wie des Gelückes Mund nicht Wort und Farbe hält,

Wie alles was die Hand der Liebe hat gebauet,

Gar leichtlich Ritze kriegt und endlich gar zerfällt.

Wie offt der schönste Baum vergiffte Früchte träget,

Wie offt ein Donnerschlag aus lichten Wolcken dringt,

Wie offt auff stiller See sich Wind und Sturm erreget,

Ja daß der beste Wein den schärfsten Essig bringt.

Doch hätte meine Schuld hier deinen Zorn erwecket,

Hätt' ich durch Zauberey dir deinen Leib verletzt,

Hätt' ich durch frembde Brunst das Lager dir beflecket,

So lied' ich was das Recht darauf hätt' außgesetzt;

Das weiß ich daß kein Blick dich hat erzürnen können,[14]

Ich habe nichts so sehr als diesen Spruch bedacht:

Algerth' umfasse stets mit Demuth deine Sinnen,

Du bist zur Königin auß einer Magd gemacht.

Bedenckt nicht Reinier wie er mich hat gefunden,

Als nach vollendter Schlacht er freudig zu mir kam?

Als tausend Tropffen Schweiß um meine Stirne stunden,

Und noch der Schweden Bluth auf meinen Armen schwam?

Als meine Brüste sich von Eyfer noch bewegten,

Die keines Mannes Hand aus Lust hat angerührt,

Und ihm, ich weiß nicht was vor einen Trieb erregten,

Der endlich seine Braut mit Purpur hat geziert.

Als mein gefärbtes Schwerdt noch von dem Feinde rauchte,

Und mein erhitzter Fuß auf warmen Leichen gieng,

Daß er der Höffligkeit bey seiner Magd gebrauchte,

Und mich als Königin durch einen Kuß empfieng?

Erwege was du da vor Antwort hast bekommen,

Als mich dein Auge hat verliebet angeschaut,

Und ich das erstemahl das frembde Wort vernommen,

Wo Seuffzer Worte seyn: Algerth ist meine Braut.

Sagt ich nicht dazumahl? ich will als Jungfrau sterben,

Der Keuschheit Bluhme soll mit mir zu Grabe gehn,

Ich will das schöne Lob auf dieser Welt erwerben,

Es kan Algerthe Freund und Feinden wiederstehn.

Mich hat zwar Mannes Bluth bespritzt, doch nicht beflecket,

Die Purpur Rose macht mich alles Tadels frey,

Doch hat mir dieses nicht den eiteln Wahn erwecket,

Daß ich vor Könige genug gezieret sey.

Nu laß mich deine Magd in erster Freyheit bleiben,

Ich weiß die Art der Brunst, und kenne diese Welt:

Denn ich erinre mich, was unsre Tichter schreiben,

Daß Männern kurtze Zeit ein ehlich Kuß gefällt.

Beschloß nicht dieses Wort dein brünstiges begehren:

Algerthen macht der Sieg mir auch im Stande gleich,

Es soll die gantze Welt mir solches nicht erwehren,

Ich schätze deine Gunst mehr als ein Königreich.

Nach diesem must ich nun in deine Flammen sincken,

Dein Lieben war ein Blitz, kein rechter Sonnenschein,

Ich wolte kaltes Gift aus deinen Händen trincken,

Solt ich mit solchen Schimpf nur nicht verstossen seyn;[15]

Doch muß ich diesen Schlag mit Sanftmuth nur vertragen,

Und dencken unser Hoff der wütet wie das Meer,

Ich muß ohn Ungedult mit stillen Hertzen sagen:

Es kommt der gröste Fall von hohen Orthen her;

Wie die Gewonheit uns das Rudel leichter machet,

So wird vielleicht die Zeit erleichtern meine Roth,

Man schaut, wie mancher Mensch in seinen Banden lachet,

Und mancher Reiche weint bey Gelde, Wein und Brodt.

Des Geistes Friede komt nicht nur von Gold und Schätzen,

Der Geist find in sich selbst die allerbeste Ruh,

Er kan in seiner Burg gantz sicher sich ergötzen,

Und schauet Sturm und Brand mit trocknen Augen zu.

Hab' ohne Hochmuth ich die Crone tragen können,

So leg' ich endlich sie auch ohne Schmertzen hin,

Bezwinge durch Vernunfft die Regung meiner Sinnen,

Und werde wiederum, was ich gewesen bin;

Daß mich ein König hat auf seine Schoß genommen,

Daß Könige durch mich seyn worden umbgebracht,

Das Königliches Bluth aus meinem Leibe kommen,

Verlescht kein nasser Schwam, und tilget keine Nacht.

Ich speise mich annoch durch dieses Angedencken,

Die Noth macht endlich selbst mich edler als ich war,

Und ich verlerne fast mich ferner mehr zukräncken,

Die ich gewohnet bin zu leben in Gefahr.

Mein König lebe wohl, ich ehre deinen Willen,

Du hast mich aus dem Koth auf einen Thron gestellt,

Ich bin was du mir schafst begierig zuerfüllen,

Durch eine grosse Hand erhoben, und gefällt.

Ich bin mein schlechtes Bluth begierig zuvergüssen,

Warum, wann, wo und wie es mich ein König heist;

Es werden eher sich die Felsen biegen müssen,

Als sich Algerthe nicht dir treu zu seyn befleißt.

Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band36, Stuttgart [o.J.], S. 14-16.
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