Vierzehnte Szene

[473] BARONIN zurückbleibend. Also kommen Sie her, Theodor. Schnell. Sie haben mir da früher Dinge vorerzählt, ich habe einen ganz heißen Kopf bekommen. Ich hab nur so viel daraus entnommen, daß Sie unter gewissen Bedingungen, von denen ich allerdings nicht ahne, wie sie könnten erfüllt werden, bleiben würden. Ich kann nur eines sagen ...

THEODOR. Ich glaube von meinen Bedingungen in deutlicher Weise gesprochen zu haben. Meine Genugtuung wünsche ich zu erblicken darin, daß das ganze Gebäude von Eitelkeit und Lüge zusammenstürzen muß, als eine unbegreifliche Wirkung meiner höheren Kräfte.

BARONIN. Ja, aber diese Bedingung ist doch unerfüllbar!

THEODOR. Ich habe deutlich gezeigt, daß sie erfüllbar ist, wenn man mir die freie Hand läßt.

BARONIN. Ich habe keine Ahnung, was Sie mir da vorgeredet haben.

THEODOR. Mir ist diese ausweichende Redeweise bei weiblichen[473] Personen bekannt. Demgemäß werde ich mich in Ruhestand zurückziehen.


Er heftet einen durchdringenden Blick auf sie.


BARONIN schnell. Ich weiß nur das eine, daß ich mit Ihnen zufrieden bin und keinen Grund sehe, Sie zu verlieren.

THEODOR lächelt und verneigt sich. Ich werde demgemäß meine Maßregeln einleiten. Ich bin mit beiden Weiblichkeiten sehr vertraut aus langjähriger Bekanntschaft. Diese da – Er zeigt auf die Tür, durch welche Marie eben abgegangen ist. ist ein unglückliches Wesen, mit einer schönen geängstigten Seele. Diese werde ich direkt anspielen. Die andere Person werde ich von der Bande anspielen.

BARONIN. Von der Bande? Was soll das heißen?

THEODOR. Das sind Ausdrücke, vom Billardspiel entlehnt. Ich habe gedacht, daß sie allgemein bekannt sind. Die Melanie ist wie die meisten Frauenpersonen dumm und gescheit zugleich. Demgemäß habe ich ausgesprochen, daß man sie indirekt oder von der Bande anspielen muß. Zu dem Behuf habe ich schriftlich schon herausgegeben, daß diese junge Witwe, die Hermine, sich hier auf dem Schloß einfinden und aushilfsweise Damenbedienung übernehmen soll.

BARONIN. Die Hermine? Ja, ich bin ganz einverstanden, aber ich habe gedacht, zwischen der und Ihnen stehts nicht ganz richtig?

THEODOR. Ich habe ihr verziehen und dies in einem Brief zu erkennen gegeben. Sie wird demgemäß heute abend glücklich erscheinen und mir blind ergeben sein. Sie ist gleichzeitig in feinerer Damenbedienung eine ausgelernte Persönlichkeit.

BARONIN. Meinetwegen. Und was soll ich tun?

THEODOR. In keiner Weise das Allergeringste gar nicht, mit Ausnahme: mir in diskreter Weise freie Hand zu lassen.

BARONIN. Ich beschwöre Sie, Theodor, ich weiß ja nicht, wo mir der Kopf steht.

THEODOR. Ich bitte, jetzt keine Beschwörungen mehr anzuwenden, sondern lediglich ein einziges Wort später auszusprechen,[474] damit jedermann in diesem Hause weiß, woran er sich zu halten hat.

BARONIN. Ich sprech gar nichts aus. Ich will gar nichts wissen. Was für ein Wort denn?

THEODOR. Euer Gnaden werden ganz einfach sagen: »Und Sie, lieber Theodor, übernehmen jetzt wieder die Aufsicht über das Ganze.« Dies bitte ich auszusprechen, wenn das niedere Personal gegenwärtig sein wird.

BARONIN. Aber ich hab doch gar nichts mit Ihnen verabredet!

THEODOR. Sehr wohl. Darauf werde ich bestehen, daß es wörtlich ausgesprochen wird und in einer äußerst huldvollen Weise: »Und Sie, lieber Theodor, übernehmen jetzt wieder die Aufsicht über das Ganze.« Es wird für mich eine geheime unterirdische Bedeutung haben, die anzuhören meinen Ohren eine schmeichelhafte Genugtuung bereiten wird.


Sieht sie scharf an.


BARONIN. Also, ich werd es sagen, ich werd es sagen –


Quelle:
Hugo von Hofmannsthal: Gesammelte Werke in zehn Einzelbänden. Band 2–5: Dramen, Band 4, Frankfurt a.M. 1979, S. 473-475.
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