[27] Warner. Frater Antonius.
WARNER.
Antoni Frater in Christo,
Ich fürcht gar sehr.
FRATER ANTONIUS.
Wie so? wie so?
WARNER.
Das jhr in dieser kurtzen zeit
Zu predigen nicht werd bereit.
Will man mit nutz sermocinirn,
Muß man zuvohr drauff meditirn.
Insonderheit für Optimatn,
Für grosse Herrn vnd Potentatn.
Ihr aber (muß die warheit sagn)
Seid nüchtern in so vielen tagn,
Ja wochen, niemahln geworden:
Da doch ewr streng heilig Orden,
Vnd Regul gar viel anders lehrt,
Welch jhr vmbstosset, vnd verkehrt.
FR. ATONIOS.
Erwürdigr Vater, mein' schwacheit
Bewein ich stets: seht an mein kleid,
Das sind nur eitel Lacrymae,
Et signa Poenitentiae.[27]
WARNER.
Der Wein, aber das weinen nicht,
Ewr Capp also hat zugericht.
FRATER ANTONIUS.
Cum cæteris Erroribus,
Nostrisque quæso Lapsibus,
Hæc ambulare mittito,
Mihique nunc ignoscito,
Inanibus nec tu bibis
Libenter ipse ex Poculis.
Einn guten Pater trunck, ich wett,
Nehmt jhr auch heut noch mit zu bett.
WARNER.
Senex Ego sum frigidus,
Et destitutus viribus,
Vt hauriam meracius
Quandoque vinum et largius,
Hoc sanitas vult ipsamet,
Necessitasque me jubet.
Istud tuis Excessibus
Et Helluationibus,
Patrocinari non putes,
Qui inebriaris indies.
FRATER ANTONIUS.
Ich will hernach heilige Pater.
Mein lebn bessern ter et quater.
WARNER.
Dazu hilff euch der Herre Christ.
FRATER ANTONIUS.
Vnd die sein werthe Mutter ist.
WARNER.
Nun sagt, was wollet jhr tractirn
Pro Concione?
FRATER ANTONIUS.
Will einführn
Viel Sprüch der Heyden, der Poetn,
Der Altveter, vnd der Prophetn.
Aus den Historijs schrecklich gschicht,
Odr was zur warnung sonst erticht,
Legenden, Fabeln, alt vnd new
Erzehlen, vnd die Leut ohn schew
Zur höll verdammen, wo sie nit
Erkeuffn vnser werck vnd vorbitt,
Mit stifften, gifften vnd praebendn
Im gantzen Land an allen endn.
Will sagn: wie seid jhr menschen kind
So toll? so tum? vnd so starblind?[28]
Das jhr Golt, Silber, Edelgstein
Euch samlet, nur zur pracht vnd schein,
Vnd könnt dessen nimmer satt werdn
So lang jhr lehr auff dieser erdn?
Wie könnt jhr so auffs zeitlich bawn?
Wie könnt jhr so dem Mammon trawn?
Er kan euch in der letzten noth
Erhalten nicht: der bitter Todt
Wird euch wegnehmen allgemein,
Ihr seid jung, alt, groß oder klein,
Edel, vnedel, arm vnd reich:
Im grab der Todt euch machet gleich.
Da vnten in der finstern Erdn,
Müsst jhr der würme speise werdn.
Gleubts doch jhr Fürsten, Graffen, Rittr,
Der Höllen pein ist grawsam bittr.
Ich bitt gleubts doch jhr zarten Frawn
Gleubts doch jhr Tugentreich' Jungfrawn:
Der infernalisch Schwefelrauch,
Der Phlegetontisch Dampff vnd schmauch,
Die Acheruntisch Fewrflam ist
Sehr scharff, sehr heiß, sehr groß, das wist.
Trachtet hie nach der Seeligkcit,
Habt ja in acht diß' kurtze zeit.
Schröcklich wird es sein, mordio!
Schröcklich wird es sein, o dio!
Wann man wird müssn im Fewr dort sitzn,
Vnd in der quall den angstschweiß schwitzn.
WARNER.
Ihr müsst euch etwas moderirn,
Vnd nicht so greßlich intonirn.
FRATER ANTONIUS.
Ich wils wol treffen, hab wol eh,
Sermocinirt ex tempore.
Das wer ein schlimmer Socius,
Ein grober Rültz vnd Knollius,
Der nicht solt aus dem ermel fort
Ein' Predigt schütteln: ich für wort
Trag sorgn nicht, geh auff mein Cell,
Das mir ein Textum außerwehl.
Buchempfehlung
Die beiden Schwestern Julchen und Lottchen werden umworben, die eine von dem reichen Damis, die andere liebt den armen Siegmund. Eine vorgetäuschte Erbschaft stellt die Beziehungen auf die Probe und zeigt, dass Edelmut und Wahrheit nicht mit Adel und Religion zu tun haben.
68 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.
396 Seiten, 19.80 Euro