Scena V.

[60] Philippus. Güldener. Warner.


PHILIPPUS Proceribus stipatus.

Saget jhrs Meister, das der Mann

Den wir gestern tractieren lan

Fürstlicher weiß den gantzen tag,

Sölches itzt für einn Traum aussag?

GÜLDENER.

Gnediger Herr, aus seinem Mund

Hab ichs gehört: do ich auffstund

Heut frü, vnd ging auffs marckt hinaus,

Zu keuffen Notturfft in mein Hauß,

Lag er da in einm Rinstein tieff

Im schlam vnd dreck (mit gunst) vnd schlieff:

Sein Weib kam an denselben ort,

Wecket jhn auff, vnd fraget fort,

Warumb er doch aus seinem haus,

Zwo nachte wehr gewesen aus?

Er hieß sie liegen, wolt sie schlagn,

Das sie sölch nichtig ding thet sagn.

Sprach er hett nur die eine nacht

Ausser seinm Hause hingebracht,

Zum theil dort im Kretschmer beim Wein,

Zum theil da im schlammign Rinnstein.[60]

Erzehlt darnach mit vielen wortn,

Das es sein Weib vnd Nachbarn hortn

Alls was jhm gestern hie auffm Schloß,

Ist widerfahren, klein vnd groß.

Hielts nur für ein Traum vnd Gesicht,

Wolt darauff trawn vnd bawen nicht.

Weil es jhm doch nur fürgelogn,

Vnd jhn so schendlich hett betrogn.

PHILIPPUS.

Blieb er bey seiner meinung dan,

Es wehr ein Traum vnd nichtes dran?

GÜLDENER.

Gnediger Herr, er bleibt dabey,

Sagt es auch vnnuerholen frey,

Einm jedem der jhn nur drumb fragt.

PHILIPPUS ad Proceres.

Das ists was wir vielmahl gesagt:

Vnser zeitlichs mühsehlichs lebn,

Vergleich sich einem Traum gar ebn.

Reichtumb, Macht, Ruhm, herlicher Nam,

Ansehen, ehr, vnd hoher Stam,

Frewd, lust, zier, pracht, köstlicher wat,

Vnd alles was der Mensch hie hat,

Was ists? nur ein schatte flüchtig,

Ein Traum nichtig vnd betrieglich,

Dessen man sich kaum recht besinnt,

Wann man vom schlaff zerwachn beginnt.

WARNER.

Wir Menschen all, sind gleich dem glaß

Das brüchich ist, ja gleich dem graß,

Welches itzt blüht vnd grünet schon,

Bald hats mit jhrer hitz die Sonn,

Bald hats gelegt der Reiff zur Erd,

Das wird zutretn von Küh vnd Pferd.

PHILIPPUS.

Wir Fürstn und Herrn solln nicht stoltzirn,

Vnser schwacheit zu gemüth vns führn,

Bey guter zeit lernen verstehn,

Das wir auch Menschen die vergehn:

Sollen nicht auff das zeitlich bawn,

Sondern viellmehr ins ewig' schawn,

Denn wir hie auch im Elend schwebn,

Vnd habn nicht eigns in diesem lebn.

Gott hilff das wir nach dieser zeit

Ererben fried vnd ewig frewd;

Aller Welt macht vnd Herrligkeit,

Ist nur ein traum vnd eitelkeit.[61]


Quelle:
Ludwig Hollonius: Somnium Vitae Humanae. Berlin 1970, S. 60-62.
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