Dem Guthertzigen Leser,

wünschet der Tichter Fried und Frewd in

Christo Ihesv.

[64] Es ist kein zweiffel, guthertziger Leser, weil ich hie an den weg gebawet, das ich viele Meister haben werde. Sintemahl das Richten vnd Tadlen keine maß noch ende hat. Denn der Lasterteuffel itzt dermassen grassieret vnd tobet, das es nicht gerahten oder sicher ist, wie der hochgelarter Erasmus von Roterdam sagt, ein Büchlein herfür kommen zu lassen, man habe jhm dann eine Gewardi vnd beschirmung von wollgerüsteten Soldaten zugeordnet. Darum ich mich in stich geben, vnd der Sycophanten gifftigen Natterbiß auch werde gewertig sein müssen. Doch wil ichs versuchen, ob derselben etliche künten vermitten vnnd abgelehnet werden.

Zum ersten werden viele sagen: Es sey eine leichtfertigkeit Reimweiß etwas schreiben. Diesen antworte ich kürtzlich: Ist der Rhythmus ein leichtfertiges ding, wird daraus folgen, das alle Völcker leichtfertig zu halten, Rhythmi enim naturales sunt in omni gente et natione. Thal. lib. 2. Rhet. cap. 15. Insonderheit vnsere alten Teutschen, dz ich von Hebræern nicht sage, welche die rühmliche thaten jhrer Heiden in Reime verfasset vnd gesungen, wie das Heldenbuch, die alten Meistergeseng, vnd Lieder bezeugen. Das aber vnsere Voreltern nicht weichlinge, leichtfertige, verzagte Memmen: Sondern standhafftige, Tapffere, streitbare Menner vnnd vnverzagte kerll gewesen, müssen auch die Römer, jhre feinde, in jhren hinterlassenen Schrifften, bekennen.

Zum andern werden etliche sagen, ich thu præter profeßionem meam, das ich Comœdias schreibe, es gebühre einem Prediger nicht etc. Diese vnbehobelte Socios, achte ich keiner antwort würdich. Denn alle verständige woll wissen, das Comœdias schreiben eine ehrliche vnnd nützliche arbeit ist, welche auch an den fürnembsten Theologen, vnnd gelartesten Leuten, nie improbieret worden. Ist doch der hocherleuchter vnd vmb vns Teutschen wollverdienter Mann Gottes, Dr. Martinus Lutherus, in der meinung, die Bücher Judith vnd Tobiæ sein keine geschieht, Sondern geticht vnd spiele heiliger Geistreicher Poeten, dieses eine feine Gottselige Comœdia, jennes eine gute, ernste vnnd tapffere Tragœdia. Dennoch haben diese beide bücher in der Bibel, inter Apocrypha, jhre ehrliche stelle vnd lob, das sie feine, gute, heilige, nützliche bücher sein, vns Christen woll zu lesen.[64]

Zum dritten wird etlichen Melancholischen Storköpffen vnd sawrtöpffen, der eingemischter schertz, vnd personæ extra argumentum accersitæ nicht gefallen. Etlichen zarten heilligen wird die bittere vnd verhassete warheit gräll in den obren thun. Diesen solte man eine gute pritsche schlagen, jenne solte man ad Antyciras, oder weil zubefürchten, das jhre insania nullo Helleboro könne außgeführet werden, in agrum Reatinum inter pecus Arcadicum religieren. Auff beiden Seiten geben sie, mit jhrem verkehrten vrtheil, jhren groben vnnd grossen vnuerstand an tag. Haben auch die nützen Præfationes in Terentium, vom Melanchthone, Roterodamo, vnd Asulano gestellet, nie gelesen: Viel weiniger verstehen sie Plauti, Terentij vnd anderer sinreichen Poeten intent vnnd meinung: sehen die scripta Comica an wie die Kuh das fenster.

Zum vierdten sind etliche so vnbesonnen, das sie vnsere selbständige Teutsche sprach verkleinern, da doch Goropius Becanus in seinen Originibus mit vielen Argumenten zu beweisen vermeinet, vnsere AltSächsische vnnd die Niederlendische Sprache, sey vnter allen sprachen der gantzen Welt die eheste, & artificio singulari planè admirabilis. Welchs ich an seinen ort stelle, vnd andere verfechten lasse. Dieses ist vnleugbar, das sie nicht die geringste ist, sich so weit vnnd breit erstrecket, das auch ausserhalb den 10 Provincien, oder Circulen, vnsers Teutschlandes, mit jhr die sprachen dreyer benachbarten, mechtiger Königreiche, (Engeland, Dennemarck vnd Schweden) eine grosse verwandschafft haben, auch wo nicht alle, doch eins theils, wie die collatio idiomatum gibt, auß jhr wie aus einem Brunnen entspringen. Solche Fatui, die es verechtlich halten, in vnser Muttersprach etwas schreiben, mügen sich, jhrem bedüncken nach, Hebraischer, Griechischer, Lateinischer, vnnd wo sie nicht gnug dran haben, Narrabischer vnnd Affreichischer zungen gebrauchen, damit jhre scripta vnd reden also verblümen, zieren, illustrieren vnd illuminieren, so krauß, bunt vnd toll machen, wie sie immer wollen vnnd können. Ich ein geborner Teutscher, scheme mich hie nicht bey den Teutschen teutsch zu reden.

Zum letzten will ich hiemit den guthertzigen Leser freundlich gebeten haben, er wolle alle præpostera Momoscoporum judicia fahren lassen, vnd von dieser meiner wollgemeinten arbeit aus Christlichem gemüth sincerè & candidè vrtheilen, vnnd nichts darin verkehrlich deuten. Es gäntzlich vnnd gewiß dafür halten, das ich hie niemand perstringieren oder notiren, sondern der Welt lauff, und vnsers mühseligen lebens grosse eitelkeit, gleich in einem Spiegel habe zeigen wollen. Hette ich nach gebür sölchs nicht getroffen, (wie ich das gern bekenne vnd nachgebe) wolle ers mir[65] Brüderlich zu gut halten. Denn wir alle menschen sind, vnnd in dem wirs auch nicht meinen, leichtlich irren können.

Der allmechtiger, frommer vnd allein getrewer Gott wolle alle vnsere studia zu seines allerheiligsten namens Ehr gnediglich dirigiren, vnd vns ein fröliches, newes Jahr bescheren, vmb seines einigen vnnd lieben Sohns Jhesu Christi vnseres Immanuels willen. Das wünsche ich allen wahren Christen von grund meines hertzen,

Amen.

Nathan Chytræus lib. I.

Epigram.


Si quis fortè putet nostro se Carmine pungi,

Agnoscens maculas conscius ipse suas:

Det veniam melior: licuit, semperque licebit

Parcere personis, dicere de vitijs.


Pietas

Sine

Fine Coronat.[66]

Quelle:
Ludwig Hollonius: Somnium Vitae Humanae. Berlin 1970, S. 64-67.
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