Dritter Auftritt.

[178] Vorige. Amélie.


AMÉLIE vortretend. Ich bedaure, dies verneinen zu müssen. – Und für meinen Sohn ist gesorgt.

EHRENTHAL. Ah, Frau Tochter!

AMÉLIE Bon jour, Herr Schwiegervater! Wollen Sie mir meinen Mann entführen?

EHRENTHAL. Würden Sie ihm nicht gerne folgen?

AMÉLIE. O, bis an's Ende der Welt! Nur nicht aus Berlin. Es giebt doch nur ein Berlin, außerhalb könnt' ich nicht leben; und nun gar auf's Land – pfui, das wäre mein Tod.

EHRENTHAL. Ich hielt es für Gustav's Leben!

AMÉLIE. Welch ein Leben! Diese Einförmigkeit! Diese Langeweile! Gustav selbst würd' es nicht aushalten.

GUSTAV. Doch, Liebe! Ich könnte mich in freier, heiterer Thätigkeit, wie glücklich fühlen. Beschäftigungen, die so sichtlich zur Natur leiten, uns aus verworrenem Lebensdrange in die einfachen Zustände genügsamer Freude führen, – es würde mich sehr glücklich machen.

AMÉLIE streng. Wie lange?

GUSTAV eingeschüchtert. Aber ich weiß, daß es Deinen Wünschen entgegen ist, – und so unterdrück' ich gern die meinigen.[178]

EHRENTHAL. Welch' ein guter, gefälliger Ehemann mein Sohn ist!

AMÉLIE halb scherzend. Ich hab' ihn mir wohl gezogen. Doch genug von diesem Kapitel. Ich bin eine Städterin, eine Großstädterin, und werd' es bleiben, will es, so lang' ich überhaupt noch einen Willen habe.

GUSTAV. Ich leugne nicht Deinen Willen, aber auch ich, sollte ich meinen, dürfte ein Wort mitsprechen.

EHRENTHAL setzt sich unwillig zur Seite auf einen Stuhl.

AMÉLIE. Sprechen? So viel Du willst! Das Thun bleibt mir.

EHRENTHAL für sich. Es pflegt sonst umgekehrt zu sein.

AMÉLIE die ihn dennoch gehört hat, zu Gustav. Oder brauchst Du noch einen Fürsprecher?

GUSTAV. Ich brauche Geduld – und sie fängt an, mir auszugehen.

AMÉLIE. O, drohen Sie nicht, weil eben Ihr Herr Vater hier ist. Ein ganzes Heer von Vätern würde mich nicht abhalten, meine Rechte zu behaupten. Noch niemals hab' ich die Freiheit Ihrer Person beschränken wollen, aber über die meinige, so wie über mein Vermögen, erlauben Sie mir zu schalten, wie ich will.

EHRENTHAL. Da bin ich zu einer schönen Scene im Schauspiel Ihres Ehestandes gekommen.

AMÉLIE. Vielleicht durch Sie veranlaßt?

EHRENTHAL. Das scheint hier nicht schwer zu sein, und wer gern tanzt, dem ist leicht aufgespielt. Uebrigens bin ich weit entfernt, so entschieden Partei für meinen Sohn zu nehmen. Er weiß am besten, was ich ihm gesagt, ehe[179] die Frau Tochter eintraten; es mußte so kommen, es konnte gar nicht ausbleiben.

AMÉLIE. Ich hoffe nicht, daß mein Mann sich über mich beklagt hat?

GUSTAV. Ich habe Niemand anzuklagen, als mich selbst. Wohl hat mein Vater Recht; es mußte so kommen, und er hat es wie vorher gesagt, ehe wir uns vermählten. Es gab eine Zeit, wo Du mich liebtest, – da nanntest Du selbst Dein Eigenthum das meine; da hätt' es an mir gelegen, jedes Opfer von Dir zu begehren, mich zu bereichern wie ich immer wollte, und mir die unbescheidensten Ansprüche sicher stellen zu lassen. Du weißt, ich habe dies verschmäht, obgleich die Beispiele ähnlicher Bündnisse und Ehepakten sogar in höhern Ständen vorkommen und in jeder Form üblich, der großen Welt geläufig sind. Ich hab' es verschmäht! Und jetzt noch, wo Du mich fühlen lässest, daß ich abhängig von Dir bin, wo dies Gefühl mich beschämt und niederbeugt, jetzt noch bin ich stolz auf meine Uneigennützigkeit. Mag es denn zum Aeußersten kommen! Mag Trennung Dich von einem lästigen Mitgliede Deines Hausstandes befreien! – Mir wird sie mich selbst wiedergeben, so zugleich die Kraft, und in der Kraft die Mittel, mich zu erhalten.

EHRENTHAL für sich. Das laß ich mir gefallen.

AMÉLIE für sich. Welche Phrasen!


Quelle:
Karl von Holtei: Theater. Ausgabe letzter Hand in sechs Bänden, Band 1, Breslau 1867, S. 178-180.
Lizenz:
Kategorien: